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TRANSFERREO TO FINE ARTS UßRARY HARVARD COLLEGE LIBRARY BOUGHT WTTH INGOMB FKOM THE BBQUBST OF HENRY LILLIE PIERCE OF BOSTON c From the Pine Arts Library Fogg Art Museum Harvard University m o o 30 C/D > m ^ CO >; ^^ > m o M rn S m o I— m o !Z m <- m DD < n: Q] rn ir z m -i > 00 ^ CO • CO :H CO o m m o o m m 30 BERLINER KUNST « « III.SQNDERAUSGA- BE DER BERLINER ARCHITEKTURWELT MELCHIOR LE C H T E R VERLAG: ERNST WASMUTH m « BERLIN -W. 1904 A xr/f^'M//- r^ '■--ßr *t^j-: .-f4-1^- mm IN UNGESTILLTES, UNSTILL- ^^^^SSSBi BARES IST IN MIR; DAS WILL r/^^ [ 11 JU 1 — M —1 o o IE O II ID cz m ZXJ o > CO -^ uu 1 II > -n 1 u JU r~ CjJ m 00 m > ^ > > 1 m M i— c_ m ^ ; O o [ n m 3> iJJ ^0 UD CT) O — 1 9 05 o U3 o o c: m 13 m 31 !Z =n ^ r-n rn MELCHIOR LECHTER: DETAIL- ZEICHNUNG FUER • DEN PALLEN- BERG-SAAL IN • KOELN ■ 1899 er als Knabe vor dem Altar, von welchem Eduard von Steinles Himmelskönigin holdselig und mys- tisch verklärt herniederschaut. Er hatte gewiß keinen kirchlichen Ehrgeiz, noch wollte er auf die Kirche seinen Lebensberuf gründen, trotz- dem war die Kirche die Heimat seiner eben er- wachenden Seele, der mystische Wundergarten, in welchem er die Weihen der Kunst empfing. \ Lechter wäre gewiß ebensobald zu demselben großen Künstier gediehen, wenn er in einem Berliner oder Breslauer oder Leipziger Miets- hause herangewachsen wäre, weil er zum Maler prädestiniert war. Auch die erhabenste und feier- lichste Kirche kann keinen Künstier erzeugen, aber sie vermag Richtung, Stimmung und Weihe zu verleihen, auf das empfängliche Gemüt wird der katholische Kirchenpomp eine Wunderwir- kung ausüben. Da in Lechter schon in frühester Jugend der künstierisch-malerische Trieb erwachte und da die beschränkten Mittel seines Vaterhauses ihm sonst nicht nach anderer Richtung Spiel- raum gewährten, so erging sich sein Sinnen und Trachten in dem kleinen Kirchspiel, in welchem er geboren war. Die im 18. Jahrhundert von den Kapuzinern umgebaute Aegidienkirche hat im Innern ein ehrwürdiges romanisches Gepräge bewahrt und in der zweiten Hälfte des 19. Jahr- hunderts wurde sie mit Wandgemälden geschmückt. Von dem großen Mystiker Steinle rührte nicht nur das wundersame Altarblatt her, sondern auch ein Set. Aegidius und den bestaunte der Knabe Lechter. Der alte Nazarener Settegast kam jeden Sommer nach Münster, um zwei Bilder zu malen. Als er gegen Ende der siebziger Jahre bis zur Orgelempore vorgerückt war und gerade das Bild der Salbung Christi durch Maria Magdalena ausführte, hatte er einen merkwürdigen jugendlichen Zuschauer, der heimlich durch das Orgelgehäuse emporkletterte und Stunde um Stunde mit funkelnden Augen zuschaute, sich sonst aber so still wie eine Statue verhielt. Der alte Settegast ließ es schweigend gewähren und hier er- lernte Lechter das Malerhandwerk aus der Respektsweite, daß er selber bald zu malen anfing in seinem kindlichen Wagemut Dem Fingerzeig des Schicksals konnte leider nicht Folge gegeben werden, weil es an den Mitteln zum akademischen Studium gebrach. Doch Lechter getraute sich auf Umwegen an sein Ziel zu gelangen. Als Lehrling trat er bei einem Glas- maler ein, er erlernte das Handwerk von Grund auf und der goldene Boden des Handwerks sollte ihm, so plante er von vornherein, die Mittel zum akademischen Kunststudium an die Hand geben. Diese glasmalerische Vorschule ist nun zu einem höchst bedeutsamen Faktor für Lechters ganze Künstierentwicklung geworden. Hier lebte sich Lechter völlig in den gotischen Gestalten- und Ornamentenkreis ein, hier wurde er mit einer stilisierenden Richtung vertraut und wesentiich, ja unschätzbar war die handwerkliche Schulung. So hatte Lechter das Glück, einen Entwicklungs- weg zu nehmen wie die alten Meister der großen Jahrhunderte. Erklärlich, daß der Künstier durch die Glasmalerei erst recht bestärkt wurde in seinen kirchlich erhabenen Jugendeindrücken, daß er nun einmündete in das 8 9 ideale und mystische Reich, daß die Mystik ihm schon zur leibhaftigen Natur geworden, als er in Berlin das Malen nach dem akademischen Ritus begann. Im Herbst 1884 bezog Lechter die Berliner Hoch- schule. Aber schon mit dem ersten Schritt in die schneidige Preußenstadt hinein fiel der Kunstjünger aus all den Himmeln, die er sich von der Würde der Kunst, von der Erhabenheit der Akademie und von der väterlich warmherzigen Zuvorkommenheit der Professoren zusammenphantasiert hatte. Wie ein bissiger Cerberus breitete sich Anton von Werner an der Pforte zum akademischen Himmelreich und wollte den armen Glasmaler aus Münster fort- graulen. Lechter kam nämlich nicht mit gespicktem Geldbeutel, sondern nur mit seinem Talent und dem leichten Gepäck seines Idealismus und einer heiligen Arbeitsfreudigkeit und wollte nun, naiv wie er war, den Herrn Akademiedirektor um Rat angehen, wie sich Studium mit Arbeit um den Lebensunterhalt am besten vereinigen lasse. Aber da kam er schön an. Der Gestrenge schob die vorgelegten Talentproben mit einer hoheitsvollen Geste beiseite und sprach das Schicksalswort, man möchte sich gefalligst von dannen trollen, Leute ohne Geld könne man in Berlin nicht brauchen, man wolle nicht Berufsverfehler züchten etc. Lechter be- dankte sich für die liebenswürdige Aufmunterung und blieb. Tags über arbeitete er gewissenhaft sein akademisches Pensum ab, und nachts saß er über Entwürfen für Glasmalereien, um davon seinen Unterhalt zu bestreiten. Mit jugendlicher Begeisterung überstand Lechter die strengen Jahre und wurde ein Einsamer in dem lärmenden Berlin. Mit den akademischen Lehrjahren ließ es sich der Künstler nicht genügen, Lehrjahre höherer Ordnung waren es, als er sich bei den großen Idealisten der Vorzeit und seines Jahrhunderts Rats erholte, nicht bloß bei den Malern, auch bei den Dichtem, den Musikern, den Philosophen, von den alten Indiern bis auf Palestrina, Bach, Beethoven, Wagner, Liszt, Böcklin, Puvis de Chavannes, Dante, Baudelaire und Friedrich Nietzsche. Nachempfindend schuf Lechter eine reiche Welt um sich, erstieg er all die Vorstufen, welche auf die höchste Höhe unserer Zeit führen. Denn wie soll man das Weltwerk der Kunst fortführen, wenn man den Schatz der Vorzeit sich nicht zu eigen gemacht? Es ist vielleicht zum Erstaunen, woher Lechter die Zeit nahm, um sich bei all den Plagen um das Tages- dasein ein allumfassend gelehrtes, ästhetisches und künstlerisches Wissen und Erleben anzueignen, um nicht bloß den Maler und Künstler, sondern auch den Menschen in sich zur allseitig harmonischen Ausbildung zu fördern. Sicherlich nur aus seinem gewaltigen Arbeitsernst kam Lechter am Ende zu der freudigen Erkenntnis, daß das Leben ein Born der Lust sei. Zu Beginn der neunziger Jahre hatte Lechter bereits längst die Paß- höhe der zeitgenössischen Kunst überschritten. Aber noch zögerte er, herauszutreten aus der Klausur, bis er endlich in seinem Gemälde des Orpheus eine neue Note zur grossen Kunst geschaffen hatte. Da kam im MELCHIOR LECHTER: DETAIL ZEICHNUNG FUER • DEN FALLEN BERG-SAAL IN • KOELN 1899 III. SONDERAUSGABE II MELCHIOR LECHTER: DETAIL- ZEICHNUNG PUER • DEN PALLEN- BERG-SAAL IN ■ KOELN • 1899 November 1896 die erste Lechter-Ausstellung bei Gurlitt, die einen der größten Erfolge seit Jahrzehnten zu bedeuten hatte. Vorher hatte sich Lechter allerdings schon als Glasmaler bei den Kennern zur Geltung ge- bracht Baurat Schwechten hat das Verdienst, in den Aufträgen der Glas- gemälde für die Set Simeonskirche in Berlin und für das Romanische Haus den aufgehenden Stern als erster begrüßt zu haben. Sodann war es Bau- rat von Groszheim, welcher den Auftraggeber des Pallenberg-Saales in Köln zu Lechter führte, und es handelte sich damals um nichts Geringeres, als um eine höchste Leistung der idealen und angewandten Kunst in allen Techniken der Innendekoration. Lechter übertraf die Erwartungen um ein Bedeutendes. Der Grand Prix, welcher 1900 in Paris dem Pallenberg- Saal zuerkannt wurde, ehrt die Franzosen ebenso sehr wie die Deutschen, der Künstler selber allerdings bedurfte schon damals mehr keiner Auf- munterung. Inzwischen hatte Lechter auch noch ein anderes Kunstgebiet erobert und neu bestellt Er wies der Buchkunst großen und feierlichen Stils ein erneutes Schönheitsgesetz, und das kam aus seiner wähl ver- wandten Annäherung an den Kreis des Dichters Stefan George, welcher heute abseits von dem Litteratengetriebe in dem Heiligtum der Dichtung wie ein Hoherpriester seines Amtes waltet. Betrachtet man das Werk Lechters als Ganzes, so ist zuvörderst fest- zustellen, daß seine Anfange in der strengen und echten Gotik wurzeln, nicht etwa in dem gothischen Tändelstil, wie ihn neuerdings wieder das architektonische Mischmasch heraufbeschworen hat. Lechters Gotik ist echter in Form und Empfindung als diejenige, welche in Hannover und in Wien im Großen betrieben ist. Vor der Wiener hat sie die strenge Monumentalität voraus und der Hannoverschen fehlt der tiefinnerliche. MELCHIOR LECHTER: DETAIL- ZEICHNUNG FUER ■ DEN PALLEN- BERG-SAAL IN • KOELN • 1899 der mysti- sche Zug, der ja ei- gentlich die Seele der frühen und ent- wickelten Gotik aus- macht. Weil Lech- ter von An- beginn ein genialer Gotiker war, ist es ihm auch beschieden gewesen, diesen Stil fortzuent- wickeln, ihn in Le- bensfri- 10 sehe in das 19. Jahrhundert zu transponieren, die alte Form mit dem ewig gil- tigen Inhalt und neuartigen Empfindungen zu beleben und aus dem Kontakt von Seele und Körper eine selbständig neue und höhere Form zu entwickeln. Das Ornament, das bei Lechter am längsten die gotische Struktur be- wahrte, zeigt am deutlichsten eine folgerichtige Fortbildung und Neu- belebung. Hier besteht keine Zwischenstufe, keine Vermittelung, das 19. Jahrhundert ist ornamental niedrig geartet gewesen, es lieferte keine Vorarbeit, an die Lechter anknüpfen konnte, und deshalb ist sein orna- mentales System eine Leistung ohnegleichen. Was den figürlichen Ideal- ausdruck anlangt, so schuf Lechter auf den Schultern der englischen Prae- raffaeliten weiter. Die seelisch verklärte schöne Form, die extatisch bewegte Feierlichkeit, die mit dem Orpheus anhebt, ist eine Errungen- schaft unserer Zeit. Angesichts der letzten Malereien Lechters hat man das sichere Gefühl, daß hier ein klassisches Kunstgesetz für das 20. Jahr- hundert begründet ist. Aber noch wesentlicher ist es, daß Lechter als ausgesprochener, weniger als Schü- Kolorist seine HWI Ü^^SW^HI^OlBiWP'W 1^^ oder Nacheife- höchsten Werte f^^^iW^^V^ W^^ «'W x I ^^^d^^^^^^^^^Fran- gibt. Es ist wahr, m: \ IW jr IK >v ¥ 1 / 1 ^o^^^- Diesen, die daß unsere Zeit im "^^ \ 1 JF[/^l.^^^l&^>^^S^y./^^* ini Grunde Natu- Zeichen des Im- { — - "^Wtjf^ Iffc?! Tffi T^w^V^m ralisten sind, steht pressiomsmus steht, unsere Stär- ke ist die im Licht verklärte, höchst- gesteigerte Far- benempfindung undFarbenfreude. Und Lechter ist Impressionist im wahren und mo- numentalen Sinne des Wortes. Aller- er als Idealist so- gar schroff entge- gen. Lechters Im- pressionismus entwickelte sichin wundervoller Ei- genart aus dem Glasgemälde. Es ist bereits heute unbestritten, daß Lechters Glasma- lereien eine Kul- mination auf die- lt dings ist er nichts sem Gebiet darstellen. Das Glasgemälde ist die Apotheose der im Licht erglühenden Farbe, eine höhere Steigerung als hier ist undenkbar. Und nun kam es, daß beginnend mit dem großen Temperagemälde des mystischen Quells im Pallenberg-Saal ein gewaltiger und monumentaler Impressionis- mus auch auf Lechters Tafelbildern sich zu entwickeln anfängt. Auf seinen letzten, erst im Entwurf vorliegenden sieben Traumbildern erblicke ich die höchstgesteigerten und stärksten Farbenwerte unserer Epoche. Noch aber ist es nicht Zeit, darüber ein abschließendes Wort auszusprechen, ich lege nur Wert darauf, festzustellen, daß Lechters mystischer Im- pressionismus ein Ereignis des Jahres 1900 ist und meinem Empfinden nach die folgenreichste That der Kunst der Jahrhundertswende. Nun wäre es meine Aufgabe, den Leser in die Gedanken- und Em- pfindungswelt Lechters einzuführen und ihm den Stimmungszauber, der wie der Duft der mystischen Rose die Werke umfängt, nahezuführen. Aber ach! schon sind der Superlative eine große Zahl gemodelt und doch ging's nicht anders, weil eben Lechters Kunst die Region der Superlative MELCHIOR LECHTER: DETAIL ZEICHNUNG EUER ■ DEN FALLEN BERG-SAAL IN • KOELN 1899 MELCHIOR LECHTER: STUDIE PUER • DIE GLAS- GEMAELDE DES • PAL- LENBERG- SAALES • 1900 MELCHIOR LECHTER: STUDIE EUER DIE GLAS- GEMAELDE DES • PAL- LENBERG- SAALES • 1900 feierlich durch- schreitet, ähnlich wie es bei Richard Wagner undFried- rich Nietzsche der Fall ist. Zum Glück fügt es sich, daß der Meister selber das Wort ergrei- fen darf. Lechter schreibt nämlich dann und wann an einem Buch „Sieben Nächte am mystischen Quell", das, seit Jahren im Entstehen begrif- fen, sich zu einem getreuen Echo sei- ner Gedankenwelt ausgestalten will. Wie goldener Fit- tiche Rauschen, wie duftumfange- nes Windeswehen aus dem mysti- schen Garten, mu- tet wohl das nach- folgende, erst ei- nem kleinen Krei- se bekanntgewor- dene Bruchstück an. Lechter spricht also: „Tauche unter in den mystischen Brunnen deiner Seele, so tief, bis über dir der jen- seitige Traumhim- mel erhaben sich wölbt. Hier erst atmet dein inneres, wahres Wesen frei; hier wachsen deinem Geist tausend goldene Schwingen; hier glühen um dich der Mittnacht blut- rote Rosen; hier lodert von ewigen Schalen der Rausch unendlicher Ein- samkeiten betäubend empor! „Lausche ich den fernen Stimmen, die im Weltall nächtig klingen, hoch von Sternen zu mir dringen, anvertrauend: Tiefsten Schmerzes welkes Duften, müdes We- hen, gletscherson- nengleiches Glü- hen — und Versin- ken in des süßen Leides herbeGruft. „Der Wollust welke Rosen ent- sanken. Entsagung blühet heilig em- por. In goldenes Düften erstarb der Schmerz. — Nun Göttin derTräume: Stille des Trunke- nen kindlich Ver- langen, träufle den Weihrauch , der Sehnsucht lindert, in die verglühende, bange Brust. Göt- tini Meduse! strah- lend, voll Dunkel—: In dir tief versun- ken sinnt mein nachtgrämlich Bild. Wo such' ich dasGlück?Aufden Bergen der Luft? Wo birgt sich der Traum? InderSee- le Gruft? „So senkt sich Schatten auf meine Seele, die leise der Wirklichkeit Öde entflohn. Schwe- bende Schauer ge- heimer Düfte hau- chen rubinene Kel- che im Raum, ent- finstern des Heilig- tums schwerlasten- de Nacht: Zu Wun- derwäldern die Stil- le wird. Die son- 12 MELCHIOR LECHTER: ERSTE DISPOSITIONSSKIZZE FÜR D WlV MflV UMI WM9^ m mmM Jr'oii s>i!l.lS»! .^ ,« V'^, '^' j AUSFUEHRUN6: ERKER: MARMORKALKSTEIN MIT GOLDMOSAIK: PANEEL BALDACHIN: El- FENSTER-WAND- DES PALLEN- BERG-SAALES IN KOELN 1898 CHENHOLZ MIT GOLD UND ■ BLAU: WAND: STICKEREIAUFSAMMET: FIGUREN: BRONZE 13 nenumratidete Harfe erstirbt; es schweigt der Orgel rot-düsterer Schmerz; es schweigen der Düfte lockende Stimmen: Es verschweigt der Seele Spiegel — das Bild." * » Ü ERSTER BILDERKREIS » * » Dem kerndeutschen Volksstamm, der in der roten Erde wurzelt, eignet sich als tiefster Wesenszug ein schwerblütiger Ernst und eine nachdenk- same Gewissenhaftigkeit. Der echte Westfale galoppiert nicht auf den schnellen und windigen Rossen der Leichtlebigkeit, wie der Mitteldeutsche und der Schwabe. Er entschließt sich schwer, nicht anders als aus tiefst- innerer Klarheit und Überzeugung. Glaubt er aber seine Stunde gekommen, so geht er dröhnenden Schrittes den Weg, den geraden Weg auf das Ziel. So ein echtblütiger Sohn der schweren roten Erde ist Melchior Lechter. Stolz und scheu hatte er zwölf lange Jahre Freud und Leid der harten Arbeit, der strengen Selbstzucht, des heißeratmenden Ringens, zwölf Jahre der Vorbereitung und des Ausreifens durchlebt und durchkämpft, bis er MELCHIOR LECHTER: STUDIE EUER DIE WEIHE 13 8f AM-MYSTI-X SCHEN QUELL" 8 IM FALLEN- ^ BERG-SAAL -1900 MELCHIOR LECHTER: STUDIE EUER • DAS LINKE • GLAS- GEMAELDE IM • PALLEN- BERG-SAAL 1900 endlich für gut hielt an die Öffentlich- keit zu treten. Lechters Kunst buhlt nicht um den Beifall der großen Menge. Sie ist wie die blaue Blume Einsam- keit, die sich selbst und allein zur Zier und zur Glückseligkeit erblüht ist. Glück sprießt nicht aus Ruhm und Ehren; lediglich die Arbeit, die aus der Weihe stiller und begnadeter Stunden ihren Sporn empfangt, die ein Lebens- werk fördert und aufzubauen trachtet, die Arbeit allein adelt und beglückt. Aber wie heute die Dinge liegen und wie insonderheit des Künstlers Lebens- los beschaffen war, blieb auch ihm der Weg auf den lärmenden Markt des Lebens nicht erspart. Doch als er aus dem Dämmerschein seiner Werkstatt ans Licht trat, war der Einunddreißig- j ährige bereits eine in sich gefestete Persönlichkeit, ein Künstler, der sich auf die Höhe seiner Mission empor- gearbeitet, der unbekümmert um Lob und Tadel seinen klarerschauten Weg weiterschreiten durfte, ohne fürchten zu müssen, durch die Stimmen der Außen- welt in seiner traumwandlerischen Ge- fühlssicherheit und in seinem dreifach im Feuer der Erkenntnis geglühten Dogma gestört oder gehemmt zu wer- den. Es war vor sieben Jahren der rechte Zeitpunkt für Lechters Eingreifen in die Triebräder des Kunstlebens. Schon fing damals der Naturalismus auf seinem Zenith zu erbleichen an; er hatte, als das Geschrei der Parteigänger verklun- gen und man dauernde Werte forderte, eine große Enttäuschung und eine tiefe Verstimmung in den Gemütern derer, die nach Wahrheit und Schönheit be- gehrten, erzeugt. So wirkte das Werk Lechters wie eine Erlösung von einem Bann, wie eine Erquickung nach langem Darben, wie ein reich quellender Segen nach den sieben mageren Jahren. In der Kunst des 19. Jahrhunderts sind zwei Hauptströmungen ganz eigenartig in einander verflochten. Die Kirche, der Herrscher, der Kauf- mann hatten aufgehört, die Kunst als Repräsentationsmittel zu fördern, eine neue Rangordnung bildete sich heraus, es schied sich das Reich des Geistes von dem Reich der Weltkinder. Der Künstler war von nun an nicht mehr Beamter oder Zunftinsasse, sondern eine souveräne Persönlich- 14 keit und die Kunst selber löste man aus dem Kreis der Alltagsdinge heraus und inthronisierte sie in die höheren Regionen des Ideals. Die Nazarener waren die ersten, welche das Priester- tum der Kunst stabilierten. Und von da an geht die idealistische Hochströ- mung ununterbrochen durch das Jahr- hundert, zuweilen allerdings verdun- kelt und niedergedrückt durch die zwei- te Strömung, welche von der Kunst der gemeinen Wirklichkeit dargestellt wird. Beide Richtungen wollen stetig in einander fluten und gewiß empfangt die eine von der andern hie und da eine wohltuende Blutauffrischung, aber am Ende wird die Realkunst von der Traumkunst verdunkelt. Das Fazit des Jahrhunderts ist die Entwicklung des Idealismus. Dies ist die Voraus- setzung für die Kennzeichnung Lech- ters als Maler. Schon der dunkle Trieb des neunjährigen Knaben fühlt sich verwandtschaftlich von Moritz von Schwind angezogen, von Schwind zu Böcklin ist dann nur ein Schritt. Im Grunde aber sind es die alten deut- schen und italienischen Meister ge- wesen, wie Giotto, die Sienesen, Fra Angelico, welche am stärksten auf ihn einwirkten. All diese Einflüsse treten in seinem sehr umfangreichen ersten Bilderkreis zu Tage. Hier aber wollen wir nur insoweit darauf eingehen, als sich feststellen läßt, wie der Künstler aus dem Gegebenen zum Eigenen, aus dem Lernenden zum Meister sich ent- wickelte. Als Bekenntnisbild darf man wohl die „Blaue Blume Einsamkeit" an den Anfang stellen. Die ganze Haltung und Gestaltung des Bildes gemahnt an einen Hausaltar. Die blaue Blume, das Idol der Romantik, personi- fiziert sich in der Vision der keuschen Holdseligkeit. Der blau durch den Lorbeerhain schimmernde Himmel, der Flor der hellblauen Blumen, die schwere Pracht des tiefblauen Sammetmantels, das alles klingt zu- sammen, um zu gipfeln in dem Blauglanz der unschuldigen Mädchen- augen. Aber noch überwiegen der konstruierte und abstrakte Gedanke und die Linie, Lechters starkmalerisches Temperament tritt hier noch nicht in die Erscheinung. Kennzeichnend für das musikalische Element in allen MELCHIOR LECHTER: STUDIE EUER • DAS RECHTE GLASGE MAELDEIM PALLENBERG SAAL -1900 MELCHIOR LECHTER: EUER • DEN tx PALLENBER6- I DETAIL- DI ZEICHNUNG m SAAL IN KOELN-1899 Arbeiten Lechters ist das Bild „Meine Seele ist betrübt bis an den Tod", welches anknüpft an den Eindruck, welcher von dem El-moll-Präludium Chopins auf den Künstler überströmte. In dem Meer der blaßlila Herbst- zeitlosen, das sich duftend und schmachtend, süß schmerzlich bis an den Horizont erstreckt, ist die Chopinstimmung wundervoll reproduziert. Aber die Musik soll hier wie überall sonst nicht illustriert werden, auch nicht in die Art der modernen Notentitel schlägt die Malerei. Vielmehr ge- staltete sich eine musikalische Stimmung unwillkürlich zum Bild, und dies wieder ist der Abglanz einer Traumvision. In einer Reihe weiterer Bilder verspüren wir noch deutlich die Anregung voraufgegangener Meister und Vorbilder, an denen sich Lechters malerisches Empfinden stärkte und erlabte. Lange wandelte der Künstler in Böcklins Zauberbann und fühlte sich dadurch stark gefördert in seiner rein malerischen Entwicklung. Die „Muse am Meer", die sich mit glühendem Blondhaar und dem roten Mantel 16 MELCHIOR LECHTER: MYSTISCHEN QUELL" IM STUDIE ZUR: ..WEIHE ^ AM PALLENBERG^ SAAL ' 1900 17 pathetisch gegen die lichte und zarte Anmut des Frühlingstages abhebt, und dann noch mehr das Bild der „Weißen Wolken", welche die jubi- lierende Frische des jungen Lenzes verklären und in der Seele der rot- umschleierten Nymphe jagende Akkorde seliger Sehnsucht lösen, zeigen Lechters Herkunft aus dem Paradies der deutschen Idealkunst. Auch den „Wunderwald" mit der Blütenglorie der idyllischen Einsamkeit möchte ich noch den Zeitiäuften des Suchens und Nachempfindens beizählen. In dem Bilde der „Traumblüten" aber schon eröffnet sich das neue Reich der tieferglühenden Mystik. Goldgleißend liegt der Sonnenrausch auf des Hügels Abhang gestreckt, grün malen sich die Schatten der Bäume und umgaukeln das von der Traumekstase umfangene Weib, dessen glut- rotes Haar wie ein wallender Mantel anmutet um die inbrünstig verzückte Seele. Hier eröffnet der Maler die Schleusen seiner Schaffenskraft, und im Fortissimo beginnt es sich brausend zu ergießen, was ihm in der Fülle III. SONDERAUSGABE III MELCHIOR LECHTER: STUDIE ZUR: WEIHE AM MYSTISCHEN QUELL 1900 des Traumes gestalterheischend zugeströmt. In der Vision des „Schatten- landes" erklingt nun zuerst der erhabene Ton, der von da ab im Lechter- werk obherrschen will. Hier ist die blaue Blume zu einem Riesenwunder- baum erwachsen. Durch die feierlich dunkelnden Auen und Haine des totenstillen Schattenlandes leitet der Engel der Verheißung die heimge- gangene Seele an die spiegelnden Wasser, daraus die Weihe zu einem neuen Leben unter dem Traumhimmel zu schöpfen. Und endlich die Vollendung des mystischen Ideals offenbart sich in dem Weihebild des „Orpheus". Dieses Gemälde steht in dem großen und entscheidenden Wende- punkt eines zur Reife gediehenen Künst- lerlebens. Die beschrittenen Wege, die zu diesem Ziele geführt, verdämmern und versinken in dem Stufenlande des Werdens, alle Hüllen fallen von dem befreiten Genius und es ist, als ob sich eine herrliche Femsicht auf dem gewal- tigen Hochlande der Zukunft auftue. Lechters Orpheus ist die Apotheose des Sängers und Priesters der Kunst. Eine leidenschaftlich ehrfürchtige Liebe hegt Lechter zu den Schöpfungen Liszts. Alle Weihen der Mystik breitet er um seine Lisztandacht, die nun auch in der düsteren Feierlichkeit des Orpheusbildes anklingt. Hier meisterte Lechter, von den Glasgemälden abgesehen, zum erstenmal den mystischen Monumental- stil, der seither der Inbegriff seines Schaffens geblieben ist. Aber auch rein als Maler tat Lechter mit diesem Bilde einen gewaltigen Schritt vorwärts. Es wurde vollendet im Oktober 1896. Im Reich des Schweigens, im Bann des Todes schreitet der Sänger einher, um mit seiner Saiten Wunderlaut das er- storbene Leben wieder zu erwecken. Die violette Finsternis, welche durch die silberfahlen und starren Baum- stämme aus Traumfernen herbeidrängt, ist der Grundton des Weltleides, die schwarzen Sammetblumen in des Todes Revier sind wie die Träume, die der Erweckung harren. Der Sänger im gold- glänzenden Priestergewand stellt die edelste Inkarnation des schönheitbegna- deten Menschentums dar. Auf seinem Angesicht leuchtet die verklärte Rein- heit, der Seele heiliger Adel, und in die schönen, durchgeistigten Hände strahlt 18 das innerste Leben aus, die schlanken Finger sind wie die Lichtstrahlen der Seele. Das Orpheusbild ist ein Wunderhymnus auf der Menschheit heiliges Leid. 19 mm LANDSCHAFTEN • UND • STUDIEN mm Dem oberflächlichen Betrachter mag wohl hie und da der Gedanke kommen, als ob Melchior Lechters Kunst nur in Wolkenhöhen schwebe und der Mutter Erde entfremdet sei, um mit dem Scheitel die Sterne zu streifen. Aber gerade hier erweist sich die alte Wahrheit, daß der Baum, der am höch- sten aufragt, auch am tiefsten im Erd- reich wurzelt, daß der Künstler, welcher die idealsten Gebilde meistert, am nach- haltigsten die Grundlagen der Kunst, die Natur und das Handwerk, sich zu eigen gemacht hat Wenn je ein Künstler im Heimatboden wurzelt, wenn je einer alle Mühseligkeiten der Lehrjahre mit dem Herzblut bezahlt hat, so ist es Lechter. Fort und fort war es sein innigstes Be- streben, sich bei der großen Lehrmeiste- rin Natur Rats zu erholen, das Geheim- nis ihres Werdens und Vergehens zu er- gründen und gerade im winzigsten Aus- schnitt aus der Welt die Fäden zu su- chen, die in das All hinüberweben. Nur wer im Kleinen getreu und fleißig gewe- sen, nur wer den Mut der Demut besessen, wird auch dem Großen ins Angesicht schauen dürfen. Aus den zahlreichen Studienmappen Lechters wird ersichtlich, wie er sich Schritt um Schritt den Weg in die Höhe der Meisterschaft erkämpft hat. Durch die zwanzig Jahre seines Werdeganges zieht sich das emsigste Naturstudium wie ein roter Faden. Aller- dings ist er niemals ein Naturalist ge- wesen, einer von denen, welche die Na- tur entgeistigen, die an der Oberfläche haften, ohne aus dem Kern, aus dem Knochengerüst heraus die Schönheits- form an sich nachempfindend nachzu- bilden. Von früh auf hatte Lechter den ahnungsvollen Blick für das Wesent- liche, für die Charakterlinie, für den Ton, der der Seele Abglanz, und alles Ideali- sieren und Stilisieren beruht ja eben auf der tiefen Erkenntnis sprechender Natur- MELCHIOR LECHTER: STUDIE • ZUR : WEIHE AM MYSTISCHEN QUELL ■ 1900 MELCHIOR- LECHTER ^i&^^f^l^V^^B ^^ vx 1 r\ flu 1 ' /nysTvV 1 ü p vlll^MJf ■' 1 iff^lllnH HYAZiNTEN-STUDIE-ZUR: „WEIHE AM- MYSTISCHEN QUELL-IMPAL- ül a LENBERG-SAALE • ZU • KOELN ■ AM • RHEIN 1899 S S Wahrheit, auf dem Erspüren der pulsierenden Lebenslinie. Deshalb mag es ersprießlich sein, aus verschiedenen Epochen des Künstiers eine Reihe von Naturstudien vorzuführen. Aus dem Anfang der neunziger Jahre datieren die großen Graphitstift- zeichnungen nach der Hochgebirgsnatur mit den kühnen Felsgipfeln, den schroffen Schluchten, den sturmgehärteten Zirbelkiefern, mit dem roman- tischen Wurzelwerk, über welches das Brünnlein rauscht. Hier ist der Künstler ein getreuer Bildner der leibhaftig erschauten Natur. Aber er sucht nicht die Natur des Alltags, die am breiten Wege liegt, er weiß ihre gigantische Höhe, ihre heroische Größe zu finden, den Zauber der Ein- samkeit aufzuspüren oder die erhabene Stimmung der Mondscheinnacht zu gestalten. Die große Form, der monumentale Charakter der Natur fügt sich willig seiner kühnen und sicheren Hand. Lechter ist in erster Linie ein genialer Zeichner, als Kolorist aber entwickelte er sich aus dem Glas- gemälde. Aus der Mitte der neunziger Jahre stammt dann jene wunder- volle Bleifederzeichnung, welche die sonnig verklärte Natur des Südens mit den jungen Cypressen und dem graziös geästelten Fruchtbaum veran- schaulicht mit einer leisen Neigung zur praeraffaelitischen Idealisierung. Nun aber beginnen die Reihen der Pastelllandschaften, welche das wechselnde Stimmungsleben in der Natur erfassen. Das Bild der blühenden Wiese aus dem Jahre 1897 ist von höchstem malerischen Reiz. Aus dem frühlings- frischen Grün leuchten und lachen die gelben Blumen, in dem Wässerlein spiegelt sich der Feiertagsglanz des Himmels und herrlich wandeln die weißen Wolken über den dunklen Wald am Horizont. Ein Hauch der 20 MELCHIOR St LECHTER:»» RAHMENFUER DIEGRAVUERE GRAVÜRE UND RAHMEN IM VERLAG VON KELLER UND NACH D.TAFEL- jBGEMAELDE: DIEWEIHEAM MYSTISCHEN «»9! QUELL REINER W 35 BERLIN POTS- DAMERSTRAS- SE 122 • (1903) Glückseligkeitschwebt über der Au. Im Jahre 1901 ging Lechter so- dann nach Siena, wo außer den Kopien nach alten Meistern gezeich- nete und gemalte Land- schaften in Fülle ent- standen, ebenso wie im Frühling 1903 und da- mals machte der Künst- ler auch einen Ab- stecher nach dem alten Bergnest San Gimig- nano im südlichen Tos- kana. Die jüngst ge- malten Pastelle sind reife Meisterleistungen der Landschaftskunst. Die reine Natur im bräutlichen Zauber der unvergleichlichen Mai- entage ging hier dem Künstler auf. Im Hö- henduft der Berge, im Schatten der Täler, in den cypressenumstan- denen Ansiedlungen, in den sonnigen Vignen, in den farbenfunkeln- den Gärten, in dem gleißenden Zug der säuselnden Silberpap- peln oder in den Glu- ten des Abends, im fei- nen Grau der ernsten Wolkentage und in den kühn ragenden Sil- houetten der alten Städte ließ Lechter ein malerisches Ergötzen überströmen , zitierte er alle guten Geister der dreitausendj ähri- gen Kultur des Garten- landes und wie ein lei- ses, fernes Klingen und MELCHIOR- LECH FER: STUDIE EUER- EIN. MOSAIK-IM- KAMIN DES • PALLENBERG- SAALES ZUKOELN-AM RHEIN -1900 Grüßen aus längst ver- rauschten großen und frommen Zeiten weht es fein und sacht durch diese Bilder, welche in der Weihe glückse- liger Stunden entstan- den sind. Mit ganz besonderer Vorliebe betreibt Lech- ter auch die Pflanzen- studien nach der Natur. Aus Wohlgefallen an der schönen und feinen Form, aber zugleich auch, um stetig die Grundlagen zu erneu- em, auf welchen seine große und geniale Or- namentik beruht. Er entlehnt seine stilisier- ten Gebilde gewiß nicht dem überkommenen Formenschatz der Go- tik; von den alten Mei- stern hat er sich ledig- lich die Anleitung zum strengen Naturstudium gebenlassen, dann aber schritt er seine eigenen Wege zu eigenen Zie- len. Es ist interessant zu beobachten, wie Lechter die saftstrot- zende Formenkraft der Hyacinthe, die zarte Fülle der Rose, die fri- sche Entschlossenheit des buschigen Lor- beers, die schlanke Grazie des Pfirsich- baums u. a. mit liebe- vollem Eindringen er- faßt und gestaltet hat, um daraus ein schöp- ferisches Neugestalten zu vollenden. B B B 21 » » $6 $8 GLASGEMALDE ^ ^ ^ ^ MELCHIOR LECHTER: STUDIE -ZUR: WEIHE -AM MYSTISCHEN QUELL • 1900 Wenn Melchior Lechter einen Kunstzweig mit der ihm eingeborenen Gründlichkeit betreibt und eine Technik bis zu ihrem letzten Ziele fördert, so ist es gewiß die Glasmalerei. Er liefert nicht bloß die Entwürfe und rüstet den Brenner nicht bloß mit ungefähren Angaben aus, seine hand- werkliche Ausbildung als Glasmaler setzt ihn in den Stand, auch die Aus- führung mit eigner Hand zu bewerkstelligen. So kommt es, daß seine Fenster von klassischer Vollendung sind und bei weitem alles übertreffen, was seit Jahrhunderten auf diesem Gebiet geleistet ist. Auch hier fußt er auf den Überlieferungen der Gotik und auf dem strengen Stil der alten Meister, aber auch hier bildete er die Gotik im neuzeitlichen Geiste fort, erweiterte er den Gestalten- und Farbenkreis und schuf einen im- pressionistischen Monumentalstil von persönlichstem Gepräge. In diesem Zusammenhang kommen nur die Glasgemälde in Frage, die in den letzten zehn Jahren entstanden sind. Man bekommt also nicht den Stufengang der Entwicklung hier- bei vor Augen, son- dern lediglich das Mei- sterwerk. Lechter geht in der Glasmalerei strengstens von dem Grundsatz aus, daß alles Bildermalen mit roten Bäckchen und holden Kleinigkeiten, überhaupt die natura- listische Pinselei durch- aus zu verwerfen sei. Das Glasgemälde grün- det sich seinem Wesen nach auf das Flächen- ornament, es soll ein im Licht erglühender Far- benteppich sein. Un- bedingt muß die Tech- nik aus der natürlichen Beschaffenheit des Ma- terials, also des Glases, entwickelt werden, wo- bei all die kleinen Zu- fälligkeiten, wie die Bläschen, mit Grazie zu verwerten sind. Ir- gend ein Bild kann also nicht ohne weiteres auf Glas übertragen wer- den, dazu ist vielmehr eine eigene Stilisierung und angepaßte Zeich- 22 23 nung erforderlich. Die Verbleiungen ergeben die Hauptlinien, die starken Umrisse, und von diesen aus muß das ganze Linienspiel sich fortsetzen und ausschwingen. Für große, überhaupt echt künstlerische Wirkun- gen empfiehlt sich ein Arbeiten mit durchgehenden Tönen für Gesicht, Inkarnat, Gewandung, Ornament, Hintergrund, die Töne sind nicht in verschiedenen Farben, sondern die eine flächige Farbe in Licht und Schatten zu modulieren und die Farben sind bis zum intensivsten Erglühen zu steigern. Lechter verwendet durchweg farbige Gläser, die teilweise farbigen Überfang haben. Also ein Glasstück besitzt mehrere Farben- schichten über einander, z. B. Rot auf Weiß oder Gelb, oder Blau auf Weiß oder Gelb. So kann das Blau ein Fünftel und das Weiß vier Fünftel der Glasstärke betragen usw. Jedenfalls lassen sich auf diese Weise alle nur denkbaren Tonkombinierungen und Schattierungen und Abstufungen und Steigerungen erzielen, wozu noch das ganze oder teil- weise Wegätzen des Überfangs kommt. Schrift und Ornament wird, wenn auf dunkelfarbigem Grunde, im Überfang eingeätzt bis auf den Fonds und je nachdem dieser nun weiß oder gelb oder sonst von welcher Farbe ist, wird der gewünschte Effekt durch die Wahl der Glasstücke zu Wege gebracht. Kompliziert wird das Verfahren durch die verschiedenen Härten des Gla- ses, ein Umstand, der beim Ätzen und Brennen ins Gewicht fällt. Lechter verwendet nur Schwarz- lot, eine Eisenfarbe, und das auf- gelöste Silber, welches zusam- men mit Ocker, der lediglich als Bindemittel dient, aufgetragen wird. Nach dem Brennen wird der Ocker wieder weggebürstet, aber das Silber verband sich mit dem Glase und leuchtet als reines Gold. Die ersten Glasgemälde, wel- che Lechter 1896 in seiner großen Ausstellung der Öffentlichkeit vorführte, hat er zum Schmuck seines eigenen Heims geschaffen. Hier offenbart sich also gewiß am rückhaltlosesten des Künst- lers Persönlichkeit. Aus dem katholisch-kirchlichen Ursprung seines Kunstempfindens schreibt es sich her, daß Lechter auch nunmehr, da er das beschränkt Kirchliche längst überwunden und es dem absoluten Mensch- MELCHIOR LECHTER: STUDIE . ZUM RECHTEN GLASGE MAELDE • IM PALLENBERG SAALE ■ 1900 MELCHIOR LECHTER: BAUMSTUDIE ZUR: WEIHE AM • MYSTI- SCHEN QUELL- 1900 h ;i 1 ^''^S^ 1 W 1 1 1 1 f 1 ' 1 ruhigen Grün des Hintergrundes treten in Glutrot und in Blaßrot- Violett die Heilige und der Sän- ger hervor, am Duft der Lilie und am Klang der Leier sich beseli- gend und ein Flor von gold- braunen Lilien umschmiegt die Gestalten. Der Farbenakkord kulminiert in dem Tiefblau der dichtgereihtenBlumensterne, aus welchem Worte Nietzsches gol- den hervorleuchten. Zu dieser andachtsvollen Ruhe steht die schmerzlich wogende Leiden- schaft im Fenster des Schlafzim- mers im stärksten Gegensatz. Hier knüpfte Lechter an das Leidens - Sehnsuchtsmotiv im Vorspiele zu „Tristan und Isol- de" an und im Geiste Richard Wagners erstrebt er eine drama- tisch bewegte Farbensymbolik. Aus dem grünblauen Schlangen- geringel entwickelt sich der grün- liche und gelbgrünliche Ton am Leib vonMann und Weib. Bren- nend rote Lilien und Gräser sprie- heitsideal untergeordnet hat, stets neben der Glut der Farbe zugleich den Klang und Gesang und die heiligen Wirbel des Duftes zum vollen Gefühlsakkord zusammen- führt. Die berauschende Feierlich- keit des Hochamtes spiegelt sich wieder in der Grundstimmung der Lechterschen Kunst. Auf dem klei- nen Glasgemälde aus dem Jahre 1895 ist dieses Kunstdogma des Sanctus Sonus und des Sanctus Odor als Bekenntnis geprägt. Im gotisie- renden Spitzbogen steht der bis zu einem Hauch entkörperte Engel mit der Orgel im Arm und zu den Sei- ten steigen aus den Goldgefaßen die Weihrauchwolken empor. Das Ganze ist eine lichtbraun goldige Vision verklärt. Ton und Duft sind ebenfalls im Fenster des Musik- zimmers zu Trägern der Stimm- ung ausersehen. Aus dem tiefen, ge- MELCMJOR LECHTER: DETAIL' ZEICHNUNG ZUM ' PAL- LENBERG' SAAL 1899 24 25 fien dagegen auf und glutrot fliegt des Weibes Haar. Aus der Sehnsucht in das Leid strebt und wogt es in langhingreifenden Wellentönen, aus Violett in Dunkelgrün, bis der Liebe sündige Inbrunst sich zur grofien Ent- sagung des schweigend verdämmern- den Lila vergeistigt und endlich in dem Braungold der Spitzbogenkrö- nung verklärt sich die Tragödie von Mann und Weib in des Todes ver- söhnenden Ausklang. Eine zweite Gruppe von Glas- gemälden schuf Lechter i8g6 für das von Franz Schwechten erbaute Ro- manische Haus. In den Fenstern des Treppenhauses erglänzt eine monu- mental-romanische Ornamentik, in welcher die Linie über die würdevoll zurückhaltenden Farbenakkorde herrscht. Dagegen ist in einer Fensterrose, in welcher man einen Engel schaut mit vor der Brust gefalteten Flügeln, mehr eine mystische Farbenglut angestrebt und ins Werk gesetzt. Im Auftrage des Baurat Schwechten hat Lechter sodann zu derselben Zeit für die Set. Simeonskirche in Berlin eine gotische Fensterrose geschaffen. Die Gestaltung ist der Offenbarung Set. Johannis des Theologen entnommen. Im Mittelfeld ist Christus als Weltrichter in- thronisiert, das Haupt mit der Krone ge- schmückt und die Hände segnend erhebend. Zu den Seiten die dienenden Engel mit den Weihrauchgefaßen. Der reiche Baldachin- bau fußt in den drei unteren Rosen und gipfelt in der obersten. Die Giebelspitze ist gekrönt von den sieben Sternen, und in den seitlich darangrenzenden Rosen erscheinen die sieben goldenen Leuchter, von denen die Apokalypse berichtet. Nun geht vom Angesicht des Herrn eine Sonnenglorie aus, deren Strahlen alle Rosen durchdrin- gen, und an des Thrones Füßen entspringen die vier Ströme des Paradieses, die ihre Wasser in Goldwogen rings durch alle Rosen schlingen. In den vier Rosen endlich zur Rechten und zur Linken des Herrn schauen wir die bekannten Symbole der Evangelisten, genau wie im ersten Kapitel der Offenbarung verzeichnet steht. Dieses Kirchenfenster, welches von dem heute MELCHIOR LECHTER: ROSENSTUDIE ZUR • WEIHE AM • MYSTI SCHEN QUELL -1901 MELCHIOR LECHTER: STUDIE • ZUM RECHTEN GLAS GEMAELDE IM ■ FALLEN BERG -SAALE 1900 III. SONDERAUSGABE IV MELCHIOR LECHTER: WEISSE WOLKEN m Wi 1892 m m 26 27 MELCHIOR LECHTER: NATUR- STUDIE • BLEISTIFT- ZEICHNUNG • 1891 Üblichen Schema der kirchlichen Kunst erheblich abweicht, ist ebenso streng biblisch wie von feierlicher Größe. Nur das eine ist unbegreiflich daran, daß Lechter nach dieser Talentprobe seither keinen neuen Auftrag für ein Kirchenfenster erhalten hat. Es scheint, als ob heute die kirchen- bauenden Patrone vor der großen und der tiefreligiösen Kunst dieselbe Herzbeklemmung empfinden, wie die Spießbürger im allgemeinen vor dem Genie. So kam es femer, daß Lechter, von den kleineren Darstellungen im Pallenberg- Saale abgesehen, auch keinen Anlaß zur Schöpfung eines monumentalen Mosaikgemäldes erhielt. Und zu wünschen wäre doch, daß ebenfalls für die musivische Kunst an einem Musterbeispiel neue und große Grundsätze demonstriert würden. Andere Aufgaben erwuchsen dem Künstler in Glasgemälden für eine Schwechten'sche Villa in Bemburg und für den Messel'schen Wertheimbau in Berlin. Dort war es ein Monumentalidyll zur Versinnbildlichung der Wahrheit, daß das Leben ein Born der Lust sei, und das kleidete Lechter in ein frühlingsprunkendes Gewand. Im Warenhause Wertheim erhob er die Göttin Mode auf den Thron und wob Anmut und Großartigkeit in die Darstellung. Auf der Marmorestrade thront die launenhafteste Priesterin in tiefgoldigem Brokatmantel, und ein blauer Teppich mit Goldmustem breitet sich über die Thronstufen. Ueber den intensiv goldenen Lorbeer- _■ .- . . hain steigt der riesen- »V Mjfk .ÄL >*v hafte Theerosenflorem- ^ tL Mm. ^^^B' Pl\ &^ P^^' dessen Blätter in V. mmL ^^^K^i^^mw. i^^}^ tiefstem Gold erglän- zen, und der Himmel schaut in einem zarten Weißgelb darein. In die ^m^^^m ^^mi^\ - ^^ m^^ Seitenfenster greift das V ^^^SK^KfWi^t^^^ Vi/^H^H Lo^b^^^g^hege gleich- } A k^^^B^KaI^I^D^^^^Iw .-M^jit^^M falls hinüber, und aus der Höhe schattet das tiefgoldene Kastanien- laub. Das durch den Erweiterungsbau ver- drängte Fenster wird im neuesten Anbau des Hauses Wertheim wie- der in die Erschei- nung treten. Das zu- letzt vollendete Glasge- mälde Lechters „Ritter Keuschheit" ging aus einem Entwurf des Jah- res 1897 hervor. Hier schöpft der Künstler wiederausder eigensten Gedankenwelt und aus dem Born der Mystik. „MIT DER SCHOEN- HEIT FEIERLICHER 28 -T-ri 29 KRONE SCHMUECK ICH DEINE JUGEND", so spricht der Ritter zu der andächtig sich neigenden Jungfrau. Ihr wallt das blasse Haar hernieder als königlicher Schmuck wie dem Ritter der Lilienmantel, und des Ritters feier- liche Pracht wie der Jungfrau keusch erglänzender Leib erblühen und erglühen auf tiefstfunkelndem Blau, welches die Blumenau des Gartens deckt. Durch die Goldschrift empor steigt das rote Rosengeäst, und die holden Blumen- angesichter entzünden sich in der Höhe hinter dem Fialengitter zu einer hochheiligen Rotglut. Ich fühle, wie vor diesem Fenster, dem herrlichsten, das Lechter bis jetzt geschaffen, der Ausdruck der Sprache versagt. Man empfindet hier so etwas wie eine Vergöttlichung der Farben im Licht. Im Mai 1901 fertigte Lechter im Auftrage der Bauräte Kayser und V. Groszheim Entwürfe an für drei große Glasmalereien, welche das Seiten- vestibül der neuerbauten Hochschule für Musik schmücken sollten. Leider ist diese Arbeit Entwurf geblieben, weil sich der Kaiser mit der großen und strengen Kunst Lechters nicht befreunden konnte, und gerade diese Entwürfe versprachen ein Kunstwerk, wie es Berlin so herrlich auf dem Gebiet der Glasmalerei noch nicht besitzt. Die kundgegebene Meinung, es handle sich hier um ein Werk der sogenannten modernen Richtung, ist eine durchaus irrige, in Wahrheit sind die Glasmalereien Lechters klassisch zu nennen, weil sie sich auf den ewig gültigen Prinzipien der strengen und monumen- talen Kunst aufbauen. Nun, es bleibt zu hoffen und zu wünschen, daß eine bessere und richti- gere Meinung die irrige aus dem Felde schlagen, undBerlin um einKunst- werk ersten Ranges den- noch bereichert werde. Die Darstellungen in den drei Rundbogenfenstern bilden ein zusammen- hängendes Ganzes. Im Mittelfenster thront der Genius der Musik, MU- SICA DULCISSIMA FI- LIA DIVINAE MAJE- STATIS, wie die In- schrift besagt, und die als Pendants gestalte- ten Seitenfenster veran- schaulichen eine Huldi- gung auf die gottent- sprossene Königin der Künste. Und das Ganze mutet an wie ein gewal- tiger Hymnus auf die Musik, durchglüht von einer Herrlichkeit gleich MELCHIOR LECHTER: NATUR STUDIE BLEISTIFT ZEICHNUNG 1891 31 MELCHIOR LECHTER: MUSE AM MEER 1893 MELCHIOR LECHTER: NATUR- STUDIE • BLEISTIFT- ZEICHNUNG • 18g2 der neunten Symphonie. Die Seitenfenster zeigen gleichartig auf einem Marmorsockel drei Kübel, ausweichen zwei Rosenbaldachine durch die ganze Höhe der Fenster aufsprießen. Ganz zartviolette Rosen sind's, ab und zu von schwarzgrünen Blättern unterbrochen und gehoben, welche in drei Pfeilern aufstreben und sich oben in zwei Rundbögen zusammenwölben. In halber Höhe buschen sich tiefblau die Kronen eines Lorbeerhains, aus welchen tief- rote Rosen hervorglühen. Und vor dem Hain auf blutrotgeblümtem Rasen- teppich erglänzen die hellen Silhouetten all der Gestalten, welche als Vertreter der verschiedenen Arten der Musik der Königin huldigen. Im linken Fenster ist es eine Grruppe der Vokal- und Instrumentalmusik, und im rechten sitzt ein reichgewandetes Weib am Flügel, der goldig schimmert und mit einge- legten Emails geschmückt ist Am Außenrand der beiden Seitenfenster stehen je zwei Bläser, deren lange, schmale, goldene Posaunen schräg aufwärts die tiefglühende Fläche des Lorbeerhains durchschneiden, imd dieser Kontrast des blitzenden Goldhell auf dem gewaltigen Dunkel ist wie ein helltönendes Geschmetter zu Ehr und Preis der gebenedeiten Herrin. Und hoch über den Lorbeerkronen erglänzt als dominierender Ton der türkisblaue Himmel, der all den Prunk und die festliche Unrast zur monumentalen Ruhe ver- klärt. Im Mittelfenster sehen wir hocherhaben auf dem reichen Marmor- thron die Göttin Musik, zu ihren Füßen erglänzen Marmorfliesen, und hinter ihr ist die Thronlehne zu einer gewaltig flammenden Aureole ge- staltet. Der holde Genius trägt ein blaßviolett Untergewand mit dunklen Mustern, und darüber breitet sich lang und schwerherniederwallend ein mächtiger schwarzer Sammetmantel mit Goldsternen. Und der ist herrlich und feierlich wie der Sternenhimmel, vom Gesang der Sphären durchtönt. Der Lorbeerhain der Seitenfenster schwingt sich im Bogen auch durch 32 MELCHIOR LECHTER: FEDERZEICHNUNG: » FESTUNGS-WALL • IN SIENA 1901 » das Mittelfenster, und darüber runden und wölben sich wie eine Apsis die dichten Rosenranken, aus deren Lücken der türkisblaue Himmel hervor- lugt. Die Einheitlichkeit und große Auffassung der drei Fenster und dann dieses unvergleichliche Ensemble der Farben erzeugt schon im Ent- wurf einen überwältigenden Eindruck. Sollte es wirklich unwiderruflich sein, daß uns die Ausführung dieser einzigartigen Glasgemälde vorent- halten bliebe? 33 iS m DAS BUCH ALS KUNSTWERK ^ m Im Jahre 1896 begann Melchior Lechter seine Gedanken und künst- lerischen Anschauungen über Buchausstattung in Taten umzusetzen. Von Kind auf kamen ihm in den Kirchen und Büchereien seiner Vaterstadt alte Druckwerke zu Gesicht, in welchen eine schlichte Würde das typo- graphische Kunstwerk bedingte. Daß das Wesen der Buchkunst nach und nach durch die in der Renaissance aufgetauchte Schnörkelsucht getrübt wurde und der Entartung anheimfiel, berührte ihn schmerzlich, und so reifte in ihm die Erkenntnis, daß das Buch als Kunstwerk erst dann seine Auferstehung wieder feiern könne, wenn es auf die Reinheit, die Natürlich- keit und die Größe seines Ursprungs zurückgeleitet und von neuem aus den Elementen, aus der Type, entwickelt würde. Das vollführte Lechter mit der ihm eignen strengen Folgerichtigkeit und Gründlichkeit im Verlauf von vier Jahren, und damit zeitigte er eine künstlerische Tat, deren Be- deutung und Folgen für die Allgemeinheit heute noch nicht zu ermessen sind. In der Hauptsache entsprangen bislang Lechter's Arbeiten auf dem Gebiete der Buchkunst aus seinen Beziehungen zu dem Dichter Stefan m. SONDERAUSGABE MELCHIOR LECHTER: FEDER- ZEICHNUNG: DIE • DOM- THUERME VON . SIENA • 1901 George und der „Gesellschaft der Blätter für die Kunst". Über diese Ge- meinde von Kunstfreunden, die in stiller Zurückgezogenheit ihren hohen Zielen nachlebt, läuft durch weite Kreise ein dunkles Gerede und ein schiefes Meinen. Daher ist es erforderlich, ein Wort der Aufklärung zu geben. In diesen Tagen veröffentlichte besagte Gesellschaft ein Verzeichnis der Erscheinungen der Blätter für die Kunst und darin wird folgendes gesagt: „Die Gesellschaft der Blätter für die Kunst, in der man falschlich einen geheimen Bund erblickte, ist nur ein loser Zusammenhang künstlerischer und ästhetischer Menschen. Sie wurde gebildet von Anhängern der dem Naturalismus entgegengesetzten, auf eine tiefere Geistigkeit gerichteten neuen Bewegung, die sich in der Dichtung an die Namen Stefan George und Hugo von Hofmannsthal knüpft, die in der bildenden Kunst vertreten wird durch Ludwig v. Hofmann, Reinhold Lepsius und Melchior Lechter. Neben der Herausgabe der in unregelmäßigen Abständen erscheinenden Blätter veranstaltet sie künstlerische Ausgaben der alten und neuen Dichter und versucht durch Hersagung und Aufführung die neuen rhjrthmischen Gebilde zu Gehör zu bringen. Mit Literatentum hat sie nicht das Ge- ringste zu tun, sie besitzt keine Statuten und Gesetze und ihr Anwachsen geschah nicht durch Verbreitungsmittel, sondern durch Berufung und natür- liche Angliederung im Laufe der Jahre." ^— Die ersten Versuche der Buchkunst schuf Lechter zum eignen ästhe- tischen Wohlgefallen und das waren Buchdeckebnalereien auf dem Perga- menteinband zu Stefan Georges „Bücher der Hirten" und „Hymnen" und „Pilgerfahrten" aus dem Jahre 1896. Die Malerei auf dem Hymnenband ist in Rot und Blau gehalten und blau sind insonderheit die Schrift auf dem Orgelvorhang und die Flammen der Kerzen samt dem aufsteigenden Rauch. Rot imd Blau sind vereint mit dem Gold die mystischen Grund- farben, wie sie vornehmlich für feierlichen Buchschmuck in Frage kommen, 36 MELCHIOR LECHTER: RAHMEN EUER EINE COPIE NACH 37 » * S GIOVANNI DI PAOLO 1902 « ü « MELCHIOR • LECHTER: PASTELL- SKIZZE: CAMPO • SANTO • BEI « « « SAN GIMIGNANO- 1903 « « « und so begegnen wir diesem Drei- klang auf der Per- gamenthülle zu den Büchern der Hir- ten. Wie auf einen Marmorblock steht die Schrift gemei- ßelt, in Gold spannt sich darüber der Himmel mit den roten Sternen und in Blau heben sich dagegen die Orna- mente und die. Rei- he der Lorbeerbäu- me ab. Blau ist im allgemeinen der Grundton der irdi- schen Schwere und Sehnsucht, in den Obertönen des Rot und Gold zuckt die Begeisterung em- MELCHIOR- LECHTER: RAHMEN.1902 por und leuchtet die Inspiration und Verklärung hernie- der. Einen Schritt weiter tat dann Lechter 1897, als er für die Veröffent- lichungen der Blät- ter für die Kunst zwei Titel schuf, in denen sich sein gra- phisches Genie of- fenbarte. Die Titel sind keine Bilder, sie stellen reines Flächenornament dar, wohl inspiriert durch den Inhalt der Dichtungen, aber ihnen nicht sklavisch dienend, sondern als eben- bürtige Eingangs- stimmung den Ver- 38 r MELCHIOR • LECHTER: PASTELL-SKIZZE: FRUEHUNGS-WIESE IN « « « DER • MARK • 1894 Ä « Ä 39 sen voraufschrei- tend. „Ulais" ist eine Dichtung schmerz- licher Entsagung von Karl Wolfs- kehl, in welcher der Weihrauch, die Ker- zen und das wunde Herz dem unerreich- baren Menschheits- ideal dargebracht werden. Der Titel für das „Jahr der Seele" von Stefan George ist auf grau- em japanischen Pa- pier gedruckt, das weicher als Sammet ist. Darauf schmiegt sich wunderbar die seelenvolle, weiche Innigkeit des im Rosenhag musizie- renden Engels, und MELCHIOR LECHTER: RAHMEN -1902 das ist wohl die zarteste Stimmung, die Lechter je in Schwarz auf Weiß geschaffen. In mäch- tigen rotenVersalien prangt der Titel, die Schrift ist mit fein- bewegter Hand ge- zeichnet und es vi- briert auch in ihr jenes Seelentimbre, das aus des Dich- ters Versen wie fern- her verwehte Musik hervorklingt. Nur muß man sich die- sen Titel auf dem weichen grauen Pa- pier gedruckt den- ken; auf dem glatten sogenannten Kunst- druckpapier des vor- liegendenHeftestritt 31 O LU 00 o 31 o CO Z) UJ 31 Q. CC O m r- o o m > g > 30 CO . m >. > i— o 30 < o 00 o CO IT N3 O CO z 30 CO :H CO CO III. SONDERAUSGABE VI MELCHIOR LECHTER: PASTELL- SKIZZE: WIE- SENGRUND BEI • SAN GIMIGNANO • 1903 die Zeichnung gewiß schön klar zu Tage, doch nicht der unbeschreibliche Seelenhauch, auf den es hier wie in den meisten andern Nachbildungen wesentlich ankommt. Im Jahre 1898 endlich konnte Lechter zum ersten Mal sein Ideal von der Buchkunst an einem völlig von ihm selbst ausgestatteten Werke dar- tun. Das war eine Übertragung von Maurice Maeterlinck's „Der Schatz der Armen", Hier sind nicht nur die Titelbilder, Zierrate, Überschriften, Zahlen, Initialen sein eigenstes Werk, sondern auch die Schriftanordnung, die Wahl des Papiers und die Überwachung der von Otto v. Holten be- sorgten Druckausführung. Und wie sieht das Buch nun aus? Den Laien wird es auf den ersten Blick fremdartig anmu- ten, er sucht dann wohl nach alten Vorbildern, findet aber keine. Diese Kunst ist also doch neu- artig. Und zwar so völlig neuartig, daß einLechter- Buch in allen Punkten von dem heutigen Buch- schema abweicht, zu- meist sich sogar aufs Gegenteil verlegt. Hat man sich in die neue Art hineingefunden, so wird man gar eigenartig und wohlig berührt. Die mo- numentale Ruhe, die vor- nehme Ausgeglichenheit, die in den Seiten herrscht, teilt sich dem Leser mit, er empfindet Sammlung und Andacht zum Lesen und es gleitet sein em- pfangender und schau- ender Geist beim Lesen dahin, so sacht und eben wie in einem Kahn über einem blanken Gewässer, an dessen stillen Ufern Bäume und Blumen und sanftbegrünte Hügel den Friedensgruß des Fest- tags entbieten. Viele Faktoren tragen zu solchem Eindruck bei. Grund- sätzlich verwirft Lechter die heute übliche deutsche Druckschrift, die nichts als eine Verschnörkelung und Entstellung der klaren und schönen Antiqua ist, das Auge beunruhigt, durchaus unkünstierisch ist und eine natürliche aus der Type erwachsene Ornamentik nicht gestattet. Die Type an sich aber soll die künsüerische Schönheit des Buches bedingen, aus ihr ist jeder Schmuck herzuleiten. Bilder und Illustrationen, die mit allen Chikanen der Perspektive und der körperlichen Plastik hergestellt und in das Buch willkürlich hineingetragen werden, sind dem graphischen Feingefühl, der 42 43 gesunden graphischen Vernunft Lechters durchaus zuwider. Nur das Not- wendige, das Natürliche, welches aus den Elementen der Schrift sich zwang- los entwickelt, kann er zulassen. Das stilisirte Flächenornament hat allein Bürgerrecht im künstlerisch ausgestatteten Buch, jede bildliche Darstellung muß für den jeweiligen Zweck, Charakter und Inhalt des Buches in dieser oder jener Weise stilisiert und gezeichnet, ja auch dem Format, dem Papier und der Schrift angepaßt werden, damit eben die Harmonie des Ganzen erzielt, damit das Buch gewissermaßen ein dem Naturgesetz gehorchender Organismus, ein Ding an sich werde. Das Schmalformat vermeidet Lechter gern und überhaupt be- stimmt er das Format derart, daß das aufge- schlagene Buch sich wie ein Teppich breit vor dem Leser er- streckt, das Auge also nicht zu häufig von Zeile zu Zeile zu sprin- gen hat. Ja, er scheut sich sogar nicht vor der quadratischen Form, weil die beim aufge- schlagenen Buch ne- beneinander stehenden Quadrate ein über- raschend schönes, feier- liches und großartiges typographisches Bild ergeben, wie an den monumentalen Meß- büchern des katholi- schen Ritus zu ersehen ist. So hat der in Rede stehende „Schatz der Armen" einFormat von 21,5 cm Höhe und 18,5 cm Breite und da- bei erfüllt die 4 mm hohe und kräftige Antiqua nahe zu den ganzen Sei- tenraum, sodaß nur ein äußerst knapper, nach außen nur 1 cm breiter Rand gelassen ist. Der Innenrand aber ist 2 cm breit und hier befin- den sich am Fußende, auf der Höhe der letzten Zeile, die starken Seiten- zahlen, also dicht neben einander. Das graue, weiche und rauhe Bütten- papier, das nirgends das Auge durch ein Glanzlicht stört, läßt auch den Druck nicht hart und spröde und stechend, sondern eben vornehm ruhig und ebenso ernst wie einschmeichelnd erscheinen. Die Ruhe der Seiten, die durch keine Einzüge und leere Stellen beeinträchtigt ist, wird dem Inhalt gemäß rhythmisch gegliedert durch die großen Überschriften in roten Versalien, von denen in diesem Heft verkleinerte Nachbildungen in MELCHIOR LECHTER: NATUR STUDIE BLEISTIFT ZEICHNUNG 1891 MELCHIOR LECHTER: EIN FRUEHLINGS-TRAUM FEDER- ZEICHNUNG EUER EINE RA- g DIERUNG^1891 S Schwarz gegeben werden, und durch die schwarzen Initialen, die, gleichfalls verkleinert, hier ziun Teil reproduziert sind. Dazu kommen die schwarzen Zierleisten, die überall da den Raum füllen, wo nicht mehr eine neue Über- schrift am Fuß der Seiten angängig ist Wie gesagt, leere Stellen, öde Flecke vermeidet Lechter mit Fleiß. Und nun beachte man, was für eine reiche Fülle des Ornaments auf diese natürliche Weise aus der Antiqua -Type vom Künstier entwickelt ist, beginnend von dem großmächtigen Titel in vierfach abgestuften roten Versalien bis zu dem bedeutungsvollen Symbolschmuck, der die Initialen wie in Traumgesichte einspinnt. Als Eingangsstimmimg zeichnete Lechter das bildliche Titel- blatt, das den von der Himmelsglorie überstrahlten Tempel des Schweigens in weltentrückter Einsamkeit darstellt, um den Leser in das mystische Reich Maeterlincks einzuführen. Das ist ge- wiß keine Illustration irgend einer Stelle des Inhalts, auch kein Bild, keine Architektur im landläufigen Sinne, sondern ein den Geist des Buches ein- schließendes Ornament, streng stili- siert für die zur Verfügung stehende Fläche, und jede Form der Natur und Architektur ist für reine Flächenwir- kung umgebildet. Nach diesem ersten großen Wurf wagte Lechter seine größte Tat des Buchschmucks, als er 1900 Stefan Ge- orge's „Teppich des Lebens" im Mo- numentalgewande an die Öffentlich- keit stellte. Hier schritt er auf dem ein- geschlagenen Wege folgerichtig fort, nur daß sich mit größten Gedanken auch größte Maße und aus dem Prie- stertum der Dichtung höchstgestei- gerte Symbole entfalteten. Dieses Werk ist in seiner Art dem Pallenberg-Saal ähnlich und ebenbürtig, es ist wie dieser ein Höhepunkt künstierischen Schaffens, ein alles in sich fassender Kosmos. Hier zeigt es sich, daß ein Buch wie ein Palast ist oder sein 44 45 kann, wenn man es groß erfaßt, und das kommt daher, weil Lech- ter wiederum aus dem innersten Wesen graphischer Kunst die Struktur klar und gewaltig in das Licht gerückt hat und abermals den Schmuck lediglich aus der typographischen Grundform und aus dem natürlich gegebenen Auf- bau entwickelt hat Das Buch hat bei all seinem feierlichen und be- rauschenden Reichtum eine stren- ge Gemessenheit, eine fest in sich geschlossene Ruhe und auch nicht um eines Fingers Breite wankt die Phantasie des Künstlers von der Bahn des Notwendigen, keine Willkür trübt das straff gefügte System dieser monumen- talen Ornamentik. Es fügt sich, daß alle Gedichte je vier Strophen zu je vier Zeilen enthalten, also alle denselben Raum einnehmen. Daher ermöglichten sich durch- gehends die lorbeerumrankten Initialen, an welche sich die Stro- phen eng angliedern und aus die- sem regelmäßigen Aufbau er- wuchsen wiederum ganz zwang- los die in den Einzelgruppen gleichartigen Umrahmungen, die für jedes Gedicht eine Kapelle oder eine Zelle der Andacht schu- fen. Das Buch gliedert sich in drei Abteilungen, in ein „Vor- spiel", in die Gedichtgruppe „Der Teppich des Lebens" und die „Lieder von Traum und Tod". Jedesmal hebt Lechter mit einer Einleitungsstimmung an, die den Leser in den siebenten Himmel der Feierlichkeit entrückt. Da thront der Engel vor der Himmels- pforte und seine Fittiche breiten sich durch das ganze All. Und eben dieser sternenfunkelnde Nachthimmel blaut auch über den Gedichten des Vorspiels, die von Baldachinen mit Reihen bren- nender Kerzen umrahmt sind. MELCHIOR LECHTER: MORGEN- TRAUM-GLUTHEN FEDERZEICH- NUNG ^ EUER ^ EINE ^ RADIERUNG K 1891 U MELCHIOR RAHMEN LECHTER: EUER DAS WELTGERICHT FRA ANGELICOS^ 1900 Wenn das majestätische Titelblatt mit den rot-schwarzen Riesenversalien wie die Fassade eines Palastes oder Domes anmutet, so ist es beim Auf- schlagen des Buches, als ob man in die feierlich prunkende Vorhalle eintrete und, von Gedicht zu Gedicht fortschreitend, in Saal auf Saal, in Wölbung auf Wölbung einherwandle. Dann stehen wir vor dem Mysterium des Teppichs des Lebens und schauen über Wolkenhöhen den Baum mit der kreisrunden Blumenkrone, die selber wie ein Wunderteppich gemahnt und aus deren Blütenduft die drei Quelle des Lebens herniederströmen, von den gekrönten Schlangen bewacht. In den Baldachinwölbungen schatten hier die Ranken des heiligen Dreiblatts und aus der Rosenpredella steigen die gekrönten Schlangen in den Eckpfeilern empor, das Heiligtum der Dichtung vor der profanen Menge wahrend. Die Lieder von Traum und Tod endlich sind in den elegisch duftenden Rosenflor eingeflochten und die Rosen umblühen in der präludierenden Stimmung die Weihrauchgefaße, deren Duftwolken wie Traum und Tod in einander ringeln und die schwarze Nacht gebiert das Harfengetön, das unter des Dichters Traum- händen den Hochgesang anstimmt auf des Todes unendliche Herrlichkeit MELCHIORLECHTER: ZIERLEISTEFUER DENSCHATZ DER-ARMEN-1898 46 CO o UJ CO ÜJ GQ UJ GQ < CO o LU QC U- LU M M CO CO < o az o o _i UJ MELCHIOR NATUR- BLEISTIFT- 11 18 MELCHIOR BLEISTIFT- 18 MOND- LECHTER: STUDIE ZEICHNUNG 91 & & LECHTER: l SKIZZE SCHEIN 94 47 '^^ II I I o >• in I— ^. ?i < "^ :_J^>CO» uJ CO o d > CO m o I— m o ci ^ 3D O m 30 K ünaii ■VrtS, »«»äffiSiaG».- iie- ■ ^-« •"^./ 4^" '- -^ r-_^^.\:i.i m 30 i^ ^ ^ M O m ni ^ 30 49 III. SONDERAUSGABE. VII MELCHIOR LECHTER: BUCHEIN- BAND • MIT GOLDPRAE- GUNG 1899 MELCHIOR LECHTER: BUCHEIN- BAND • MIT HANDMALE- REI • 1898 momr BTflNilNP'ISPLDElL Als zum Ende der Sang verschol- len, da springen die Saiten der Harfe, aber sie ist unter die Sterne versetzt und die selig ersterbenden Rosenseelen verseufzen und zer- flattem in den schwarzen Tiefen und Höhen des Alls . . . Der Teppich des Lebens ist die weitaus bedeutendste Veröffent- lichung der Blätter für die Kunst Das Werk wurde in dreihundert nummerierten Exemplaren ge- druckt, worauf die gesamten Plat- ten vernichtet wurden. Der Druck geschah auf sehr starkem grauen Büttenpapier mit gerissenen Rän- dern. Das typographische Bild ist vorwiegend schwarz, nur hie und da sind die Anfangsbuchstaben oder ersten Verse oder Widmungen rot abgehoben, so daß der schwere und tiefe Ernst des Werkes durch- aus gewahrt blieb. Das Format ist quadratisch in Großquart, mit 37 zu 38 cm im Geviert und gebunden ist das 48 Seiten enthaltende Buch in weichgrünem Leinen mit blau aufge- drucktem Titel. Dazu kommt noch eine Gruppe von kleineren Büchern, eine Auswahl deutscher Dichtung, erschienen von 1900 bis 1902, die gleichfalls ' ^- ^ .-^ ^ . , von Lechter künstlerisch ausge- stattet wurden im Auftrage der Gesellschaft der Blätter für die Kunst. Zuerst ein Brevier aus Jean Pauls Werken, dann eine Aus- wahl aus Goethes Gedichten und drittens das „Jahrhundert Goe- thes", umfassend eine Dichter- gruppevon Klopstock bis Conrad FerdinandMeyer. Gemeinsam ha- ben diese drei Werke das Format, dasgelbeBüttenpapier, denHaupt- titel in Blockschrift, der in Rot, Blau und Gold variiert, die schöne Antiqua-Type und die von Jakob Grimm angeregte Schreibweise mit durchgehends kleinen An- fangsbuchstaben, wie in den übri- gen Sprachen Europas, auch ist in den Versbüchern das Komma geopfert und dafür ein hochge- RICHORD: 3R155QJV g ISOLDE II /cw>i 50 H H MELCHIOR LECHTER: GESTUEHL 1896 - » H H 51 8 m 1 8 m KLE NER T SCH 1895 SCHREIBTISCH 1896 MELCHIOR ZWEIBUCH- MIT' HAND- IS W 1896 LECHTER: EINBAENDE MALEREI 1896 m 19 52 !B iE epl^CHior^ 53 H B MELCHIOR LECHTER: KALENDER 1897 B B MELCHIOR LECHTER: BUECHER- SCHRANK 1896 stellter Punkt gewählt, wahrscheinlich des- wegen, weil die Komma-Schwänzchen in das Druckbild eine gewisse Unruhe brin- gen. Übrigens haben die Bücher den her- kömmlich breiten Rand, beim Jean Paul ist die Druckkolumne mit dem Innenrand gegen eine Zierleiste gerückt und diese ent- hält oben die rote Seitenzahl, während die Gedichtbücher und zwar Goethe rot und das Jahrhundert Seite für Seite blau um- rankt und umrahmt sind und die Seiten- zahl in einer Kartusche der Fussleiste auf- weisen. Auch diese Bücher bereiten einen wahrhaft künstlerischen Genuß der Lek- türe. Bedeutsam sind auch hier die Sym- boltitel, die an sich omamentale Meister- werke sind und dem Wesen der Dichter eigenartig entsprechen. Wie kennzeich- nend ist für den empfindsamen und mys- tisch himmelnden Jean Paul der blumen- wimmelnde Grabhügel, gekrönt von der Leier, umduftet von den Hyazinthen, um- standen von schlanken Pappeln und um- glüht von dem funkelnden Stemenheer! Goethes obherrschende Größe symbolisiert sich in dem steil aus dem Wald empor- wachsenden Bergkegel, der in die Wolken steigt und von den Wolken, die seines Namens Fussschemel, in die ewigen Sterne. Wie die Lorbeerumrahmung ist auch der Name in Rot gehalten und das Übrige in Schwarz. Der Titel des „Jahrhunderts Goethes" zeigt das von Engeln gehütete Dichter-Pantheon, das hoch ob der Fels- gipfel ragt im Frieden des Lorbeerhains. An diesem Blatt ist gerade die ornamen- tale Note sehr stark geprägt. ^U. GRAPHISCHES m INTERMEZZO 6kMI Neben den Hauptarbeiten im Buch- schmuck schuf Melchior Lechter eine Reihe von Kunstblättern, an welchen sich der große graphische Stil und überhaupt das graphische Kunstgesetz verdeutlicht. Es handelt sich hier- bei mehr oder minder um angewandte Kunst in Gestalt von Zeichnungen für Musikalien, um Titel, Kataloge, Geschäftskarten, Kalender und Bücher- zeichen. Auf solchen Blättern Bilder zu zeichnen oder zu malen hält der Künstler nicht für vereinbar mit , dem Ernst der Kunst. Die Verkennung des graphischen Grundgesetzes kann nur zu Künsteleien und Spielereien 54 MELCHIOR 18 GOTISCHER — LECHTER: 96 TISCH 55 ausarten. Die Schönheit, die im Grunde nichts ist als eine Abspiegelung der Wahrheit, darf in angewandter Kunst nur in engstem Verein mit dem gegebenen Zweck und Material figurieren. Auf den graphischen Blättern ist die Schrift die Melodie, der Symbolschmuck die Begleitung und um beide wahrhaft zu vereinen, ist die ganze Darstellung in die rein orna- mentale Sphäre zu vergeistigen. Daraus entspringt dann die vollendete und wahre Schönheit, die aller Kunst unverrückbares Ziel ist. Da die Musik in Lechters Kunst seit jeher Anregerin erhabener Stim- mungen gewesen, so ist es begreiflich, daß der Künstler seinerseits die Gelegenheit freudig ergreift, dem Genius der Musik Huldigung darzubringen. Das geschah in den Notentiteln. Das bedeutendste Blatt derart ist Conrad Ansorges „Fünf Gesängen nach Dichtungen Stefan Georges" gewid- met. Dem hohen ^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^ es ist, als ob der des Dichters ^^^^^^^^^^^^^^^^^^V Zauber des und des Musikers ^^^^^^^^^^^^^^^^^^^ | den Wortes aus tritt des zeichnen- ^^ ^ ^ des BrunnensTiefe den Malers Ver- BÜfflM ■■ifil ^^ einem wallen- bildlichung der H|1H» ^Plllf ^^^' wabernden vereinigten Künste ■»% M^ iui ' Blütendom sich ebenbürtig an die ^|H|firTj^ _ 1^ ij* H.'»L ^ iM^ \ wölbe und so end- Seite. Wie eben ^^^^^^^^^^IjS^^ J0K \ los sich breite, daß die Kunst aus des ^H|l^^HH0H^Bad^l | alles Sein wie von Herzens heiliger |^^|H^^^^^^^^^^K^ leuchtenden Stille erblüht, so ^^^^^|^K^^R|QP^^^L I Wolke überfangen sehen wir die Ge- ^^^BQ^HH^S^^^^Hi i wird. Auf verschie- nien der Dichtung ^^^H^^^^^^HH^k^^H^j denen Komposi- und der Musik ^^^H^B^^^^^^üÄ^^^' tionen Ansorges im verschlossenen ^^^^^^^^^ J^Äi findet sich das Sig- Garten des mysti- ^■BJ j net, welches den sehen Quells und I Künstler als Prie- MELCHIOR LECHTER: SESSEL 1897 MELCHIOR LECHTER: KUECHEN- SCHRANK- 1900 ster hoch über allen Wipfeln des Irdi- schen in Stemen- höhe erhoben zeigt — eine Meisterlei- stung zeichnender Kunst. Graphischen Monumentalstil be- kundet das Blatt der „Lieder und Gesän- ge" von Richard Wintzer, auf wel- chem die sonst so peinlich berührende Schriftmasse eigen- artigen Schmuck- wert besitzt und mit dem Engel, welcher die Krone der Kunst dem Licht entgegen- hebt, ornamental zu- sammenklingt. Lehr- reich ist auch das den Manen Haendels dargebrachte Blatt, was die Gliederung der Fläche und die klingende Zartheit graphischen Aus- drucks anlangt. Die reine Schrift- tem hebt und trägt Struktur. Der kunst erscheint auf mancherlei Blättern zu größter Wirkung gefördert. So auf der Geschäftskarte der Firma Pallen- berg, auf welcher das Schriftbild als Ganzes und die rhjrthmische Beto- nung des Wesent- lichen zu beachten ist. Der Pomp der Monumentalschrift ist auf dem Groß- foliotitel der von Bruno Möhring her- ausgegebenen Ar- chitektonischen Charakterbilder der- artig gemeistert, daß Anfang- und End- buchstabe wie flan- kierende Pfeiler die Schriftfläche einhe- gen und die Verleger- Vignette im größten Stil den Atlanten- dienst übernimmt, also gleichsam das SchriftbüdaufSchul- MELCHIOR LECHTER: ZIERLEISTE F.D.: SCHATZ DER ARMEN 1898 Und das wäre ein Musterbeispiel für graphische Kalender für die Buchdruckerei Julius Sittenfeld ist im System eines gotischen Kirchenfensters angeordnet, wobei die Umbildung der architektonischen und glasmalerischen Formen ins rein Graphische bewunderungswürdig geleistet ist. Natürlich hat Lechter auch in den Bücherzeichen seine graphische Be- gabung bewährt und wie schon im Ansorge-Signet den Reiz der Linie in allen Registern spielen lassen. Hier beruht die Kunst darauf^ in die kleine Fläche eine Welt von Gedanken zu bannen und die Wesenszüge einer Persönlichkeit zu symbolisieren. Auf dem Bücherzeichen Auerbach ist der schöne Gedanke versinnbildlicht, wie der Glücksstern des Hauses seine Lichtfaden über den Erdball webt, und der häusliche Frieden der Familie sich im Schönheitsborn des Lebens wiederspiegelt. Dem Baurat von Groszheim eignet sich wohl der über die Lebensbrandung erhabene Fels, der die Baukunst in die Idealhöhen des Himmels streckt und den Archi- 56 57 MELCHIOR LECHTER: INITIALEN: EUER DEN „SCHATZ « « DER ARMEN" VON MAETERLINCK 1898 Ä » III. SONDERAUSGABE VIII MELCHIOR LECHTER: KRONE • AUS BRONZE MIT EINGEBRANN- TEM EMAIL ■ 1897 tektenleitspruch vergegenständ- licht: „Aus dem Tiefsten muß das Höchste zu seiner Höhe kommen." In dieser feinarti- kulierten Zeich- nung begrüßen wir wohl eins der schönsten Ex Li- bris, die seit lan- gem geschaffen worden. Das Bü- cherzeichen Leo- pold Levy endlich verdeutlicht sinnig die Alliance der feinempflndenden und inspirierenden Frau und des be- herzten und be- sonnenen Taten- dranges des Man- nes. Vortrefflich ist die Darstellung in die Medaillen- form hineinkom- poniert, aber der Künstler war weit davon entfernt, eine plastische Me- daille dem Auge vortäuschen zu wollen, eher noch mochte eine per- spektivische Bild- wirkung angehen, doch auch diese ordnete er dem reingraphischen Ornamente unter, das die Fläche be- herrscht, ohne daß dabei den beiden Gestalten der fein- persönliche Reiz verkümmert wur- de. Die zarteste Empfindung für die Poesie sowie für den epigrammati- schen Esprit der Linie wohnt die- sem wie überhaupt allen Ex Libris Melchior Lechters inne. B S S S S AI AI DES KÜNSTLERS HAUSRAT AI ftl Es ist das Eigene an den Werken Melchior Lechters, daß sie alle mit Worten zu reden anheben, um ihres Ursprungs Geheimnis zu offenbaren. Wohl haben die Gestaltungen ihre Sprache an sich, wohl klingt und tönt es aus der Lichtglut der Glasgemälde, aus der bewegten Pracht der Tafel- bilder, aus den Angesichtern, aus den Blumengehegen, aus dem Garten des mystischen Quells, aber dann fügt sich's, daß sich das Kunstwerk ver- lebendigt, daß der Überschwang des Empfindens in Worte ausbricht, daß der Inschriften feierliche Versalienreihe aus dem Goldglanz des Rahmens, aus des Fensters Farbentiefe, von des Hausgerätes Simsen und Füllungen dem Beschauer leibhaftig entgegentritt. Von Anbeginn an reden die Kunst- MELCHIOR LECHTER: ZIERLEISTE FUER DEN SCHATZ DER ARMEN ■ 1898 58 MELCHIOR D0S»8CHW€IQ6N« Dl€t'50DG6W6IH'SeN< DHSieRWaCH6N«^ Dl€9QORiaL«D6St fflasTiKeRS? VMB VONVD€RyUNSlCHT YOM*TieF€N#L6BeN YONSD€RSfINN€R6N3 DieSTRHGlK^DeS^ D€Fl*S"5€RN* CEB€R^DI6^WeiB6fl< RUaSBROGCK(JD€Rs! GiROS€6^l^l^^ NOYCILI5 S^Sai LECHTER g g UEBERSCHRIFTEN ■ UND ■ ZIERLEISTE ■ AUS ■ DEM „SCHATZ ■ DER ■ ARMEN" 1898 g g 59 MELCHIOR LECHTER: AMPEL ■ AUS BRONZE ■ MIT EINGEBRANN- TEM EMAIL- 1896 MELCHIOR LECHTER: ZIERLEISTE A. D. SCHATZ DER- ARMEN 1898 r^^. "^^B denkmäler, die Pyramiden, Obelisken, geflügelten ■^^ ^H Stiere, der Gekreuzigte aus der Höhe des Triumph- ^jf^ bogens, die Madonna aus dem Altarblatt und die Heiligen im hohen Chor, dann reden unserer Alt- vordernHäuser undFamilienbilder. Fromme Sprüche oder Weisheitsworte meißelten sie in das Balken- werk, malten sie an die Wände und in die Fenster, schnitzten sie in die Truhen und Schränke und Wiegen, die Alten, welche den Schmuckwert der Schrift wohl zu empfinden und zu gestalten wußten. Und diesen alten Brauch ließ Lechter von neuem erstehen. Die Inschriften sind es, welche verwandte Klänge aus den andern Künsten erwecken, die das Rauschen der Quellen, das tönende Schweigen der Nacht, die duftende Seele der Blumen, die andachts- vollen Wirbel des Weihrauchs, die Weihe der Musik und des Dichters Begeisterung fühlbar machen, also daß die geheiligte Dreizahl geschwisterlich in ein- ander webt: Sanctus sonus, sanctus color, santus odor! Zumeist sind es Worte Friedrich Nietzsches, Worte des tiefsten Schauens oder des höchsten Seelenrausches, die aus Lechters Werk wie brau- sende Orgelklänge oder weinende Geigenstimmen oder priesterlicher Segensspruch hervortönen. Und überall ist der Inschriften Feierlichkeit zu omamen- taler Weihe vergeistigt und so wundervoll fügen sich die Schriftreihen in das Kunstwerk ein, daß sie, rein als Form betrachtet, wie die Blüte am Zweig anmuten. Der Duft dieser Blüte ist aber der poetische Sinn der Worte. Höchst bedeutsam ist nun auch der Hausrat, den Lechter für sein eignes Heim geschaffen, mit Inschriften geziert. Aus den Glasgemälden der Fenster klingen feierliche Sprüche und gleichsam wie Responsorien antworten auf den Hochgesang die dunkeltönigen Zeilen an den stattiichen Schränken, an Gestühl und Ampel, von neuem die Einheit betonend, die des Künstiers ganzes Schaffen durchdringt. Zuvörderst in den eignen vier Wänden trachtete er nach Gestaltung jener weihevollen und gedanken- reichen Schönheit, deren Verkünder im Großen er für die heutige Zeit geworden. Des Künstiers Hausgerät, das seinem stillen, arbeitsvollen Leben Haltung gibt, ist als eine Vorstufe für den späteren Pallenberg-Saal zu betrachten. Hier übte und erprobte Lechter längst, ehe er an die Öffent- lichkeit getreten, seinen Monumentalsinn, der nichts für gering achtet, der das Kleine dem Großen angliedert, das Profane adelt und auch dem Alltag die Feiertagsweihe verleiht. Dieser gotisierende Hausrat — ich scheue mich hier das Wort Möbel anzuwenden — soll gewiß nicht zum Muster dienen für das heutige Gesellschaftsleben oder für die bürgerliche Wohnung, er ist vielmehr hineinempfunden in das farbenschöne Dämmerlicht und in »^ 60 8 8 ^ MELCHIOR LECHTER: GLASGEMAELDEFUER ai 8 EIN BUEGHER-ZIMMER-FENSTER 1895 B MELCHIOR LECHTER: KARTON EUER • DAS GLASGE- MAELDE EINES SCHLAF- ZIMMER-FEN- STERS 1896 LEIDENS- SEHN- SUCHTS-MO- TIVAUS DEM VORSPIELE ZU • TRISTAN UND ISOLDE 62 MELCHIOR • LECHTER: ENTWURF- ZU • EINEM • GLASGEMAELDE 1896 63 «a FUERDIE ST- SIMEONS-KIRCHE IN BERLIN U» MELCHIOR RITTER KARTON GLASGE- NES MUSIK- LECHTER : KEUSCHHEIT EUER DAS MAELDE EI- SALONS 1902 64 MSCDOOS mZSrn^r- Scö> 33 30003 z — .^ >• • 1— ^ _4 "■ I I 30 .. « 65 in. SONDERAUSGABE IX MELCHIOR LECHTER: PERGAMENT- EINBAND- MIT HAND-MALE- REI • 1896 MELCHIOR LECHTER: EX • LIBRIS 1900 die Stille des Künstierheims, in welches kaum ein Ton von dem Lärm der Großstadt bricht, nur daß hin und wieder das mächtige Glockengeläut der Kaiser Wilhelm -Gedächtniskirche von fem über den Gartenfrieden dahinflutet. Daß die Gotik, die dem Künstier von frühesten Jugendtagen an ver- traut und die Kunst an sich gewesen, nun auch seinen Hausrat stilisieren half, ist wohl begreiflich. Die ^^^^^^ die Dienste, die Rippen in die steilstrebenden, die streng- ^^01"'^% ^ \ f^ it^Si^^ Pracht des Maßwerks, starren Linien, die in der Höhe sich zu reich stem Formenflor verdichten, ver- deutlichen ja die Idealstruktur des Holzes. Glatt und schlank steigt der Baum aus des Waldes Dämmerung, um bewegsam und fröhlich in der licht durchrauschten Kro ne zu gipfeln und also streben im gotischen System die Pfeiler, die Lisenen, s^ der Wimperge, der Bal- dachine und Fialen empor. Diese Ide- alschönheit ge- staltete Lechter am treffendsten in dem streng- zierlichen Ge- stühl und in dem dreiteiligen Wä- scheschrank. Der Baldachin des Ge- stühls wölbt sich wie eine Rosenlaube, die drei Pfeiler mit den ragenden Fialen sind wie ein Spalier, in welches die Fülle der Ranken und Rosetten eingespannt ist und der Spitzbogen Strebe- kraft schießt in die anmutig zarten Kreuzblumen hinein. An dem Wäsche- 66 €R • NEUEN • KOENIGLICHEN • MUSIK-HOCH- schrank ist die große Fläche nicht nur durch die Dreiteilung, sondern auch durch die Spiegel- und Glastüren gemeistert, das durchscheinende Weiß der Wäsche ist zum schmückenden Motiv verwertet und wie nun Lage um Lage hervorschimmert, ergibt sich ein reizvoll Spiel der hori- zontalen und vertikalen Linien, bis endlich der starkbetonte Zinnen- kranz den Aufbau in Ruhe und Kraft zusammenrafft. Schreibtisch und Bücherschrank sind im Wesen mit einander verwandt. Während aber das hohe Büchergestell hoch oben einen reichen Ausklang erheischt, gipfelt der Schreibtisch in knappen strengen Profilen, in einer gediegenen Ruhe, damit das Auge des Sinnenden und Schreibenden nicht etwa durch eine krause Formenfülle abgelenkt werde. Man erkennt also auch in diesen Werken Lechters strenges Denken und tektonisches Streben. Und das tritt ebenso bei den andern Geräten in die Erscheinung. Ampel und Kronleuchter sind in der Hauptsache aus einem überlieferten Typus entwickelt und desgleichen der große Tisch. Hier ein vollendeter Aus- druck des festen Stehens und Tragens und dort das reichbewegte Formen- spiel, welches die leuchtende und vor jedem Hauch erzitternde Flamme zu umkränzen hat. Der kleine Tisch erfreut durch die Grazie des Unter- gestells, die dazu einladet, ihn nach Bedarf hierhin und dorthin zu stellen. Die Platte ist mit dunkelglasierten Fliesen ausgelegt, und quer darüber zieht sich eine wolkig zer- es ist sicherlich eine klas- flatternde Ader, wie ^^^^^^^^^^^^ sische Lösung der ge- wenn eine vom Mond .^^^IMI^^^N^^^^^ stellten Aufgabe. Der 67 belichtete Wolke durch das Tief- blau des Him mels segelt. Die halbrun- den Ausla- dungen an den vier Sei- ten zeigen geschnitzte Drachen- grotesken. An zwei andern Schränken erweist es sich, wie neue Zwek- keneueFor- men gebä- ren. Der Küchen- schrank in den dezen- ten und fei- nen Linien des Auf bau- Werkzeugschrank endlich im Atelier des Künstlers ist aus großflä- chigem Kie- . fernholz ge- arbeitet, der große deko- rative Zug der Beschlä- ge und des geschnitz- ten und be- malten Frie- ses eint sich schönstens mit Material und Ge- brauchs- zweck und wenn ir- gendwo, so ist hier der von Nietz- sche stam- mende weh- mütig - stol- MELCHIOR LECHTER: AQUARELL SKIZZE • FUER DAS • GLAS GEMAELDE EINER • DIELE 1897 ' CO Pfi y g w UJ ^ CC >< UJ UJ I— ■ ^ ^ r^ P UJ OJ O CD £x]M>isiiaMwo^-i * 3Hgovi-taaM]as;-'nz 'SxgHyao H ■ sta a- ^sn i-j ■ H HigdH \ a'NgQ-Sf\\/ 68 m r— o ö 30 o o m > 30 m 30 69 I M rn o > m o z m -Ti m 30 o • m ^ |i r- m M > o 13 00 ^ 00 2 o :^ CO o m 30 _ cn a o — I «ra CP PI azco rnm 0^ ec'i'ro NOCH »13 ICH VDN'BTEFRN MElTHiOR TTUMEEISJ EEOFFI^E?^ (^ECHTER H'DENEKE^fV;^^ SENLIN 5^>J5^igna MELCHIOR LECHTER: TITEL-ZEICHNUNG EUER CONRAD » « ANSORGE'S: /UENF GESAENGE" 1900 « « 70 gEELEYOn STEraN-GEORGE I M • V €RLn G6- D€R- BLCETTER-FCER- Die-KüNSTBERLlN-MDCCCXCVn- 71 MELCHIOR LECHTER: TITEL-ZEICHNUNG FUER STEFAN ^ « GEORGE'S: „DAS JAHR DER SEELE" • 1897 % M MELCHIOR LECHTER: TITEL-ZEICH- NUNG • FUER STEFAN • GE- ORGE'S: TEPPICH • DES LEBENS • 1899 X X X X 19 00 DERtTErriCH'DES LESENS^UND'^DIE LIEDEP^YONTKHUM UNDTOD«MITvEIHEM /VL P»3 YORSnEL X X X X ze Wahlspruch am Platz: „Trachte ich denn nach Glücke? Ich trachte nach meinem Werke!" Die in dem Heim des Künstlers befindlichen Bilder, insonderheit die Kopien oder Nachbildungen nach Meisterwerken alter Kunst, weisen alle Umrahmungen auf, die aus dem Geist der betreffenden Kunstwerkes neu und eigenartig gestaltet sind. Die Bedeutsamkeit der Bilderrahmen, ihre wohlbedachte Form, ihr dekorativer oder symbolischer Charakter ist von Anbeginn ein wesentlicher Zug der Lechterschen Kunst, die eben niemals halbe Arbeit leistet. Der der Darstellung kongeniale Rahmen bringt erst den künstlerischen Gedanken zu seiner vollen Wirkung, macht das Kunst- werk, in welcher Umgebung es sich auch befinde, zu einer selbständigen, völlig in sich beruhenden Erscheinung, zu einer Welt für sich. Im Rahmen soll der angeschlagene Akkord ausklingen. Schon die früheren Bilder sind in diesem Sinne durch die Eigenart der Umrahmung gehoben. Der „Garten der Ehe** ist von einem Spitzbogen überwölbt, der sich seiner- seits dem Rechteck unterordnet. Das Gemälde „Tristis est anima mea . . /* wird in seinem zarten Ton von dem dunklen, schweren Rahmen mit Doppelpfeilern gehütet. Das feierliche Bild „Blaue Blume Einsamkeit" ist gleichsam als Hausaltar gedacht, daher der Rahmen sich wie eine Archi- tektur aufbaut mit kannelierten Pilastem, einem gerieften Architrav und weitausladendem Gesims. Der „Orpheus" der eine neue Epoche einleitet, zeigt einen feierlich stilisierten Goldrahmen, in welchem sich des Sängers traumhaftes Saitenspiel fortspinnt. Von Sternen umkreiste Rosenstämme 72 m r- o 73 l£C IE O JU 1 1 II o _L — 1 m JU r— M 1 II 1 II OD o m IE -z. ui C= ^ m CD 133 1 II CO .y^ -H m JU ■'II CI — 1 m m JU r— • C/5 N. — 1 < m o -n JU > CO z -D m CD r^ m o JU 00 o tD m to CO LJ m JU — 1 m -D -D o S?C=i: tsc u m tSCco ni. SONDERAUSGABE MELCHIOR LECHTER: ZEICHNUNGEN EUER STEFAN GE- wachsen in den Seitenleisten empor und gipfeln in wellenförmig verschlun- genem Gerank, aus dessen Kreuzungspunkten die Rosa mystica hervor- springt. Und von Jahr zu Jahr gestaltet sich Lechters Rahmenkunst immer freier und sicherer und vielsagender. An der Umrahmung eines Frauen- bildnisses von Piero della Francesca ist die Predella durch die Inschrift bedeutsam gestaltet. Die archaistisch befangene und wundervoll zarte Madonna des Bernado Daddi ist von ätherischem Goldblättergerank wie von der Glorie des lobpreisenden Sternenhimmels übersponnen. Und gar in eine wunderselige Rahmenpracht hat Lechter die Kopie des dreiteiligen, altsieneser Madonnenbildes hineingestimmt. Das ist wohl das schönste Rahmenwerk, das Lechter geschaffen hat Die mystisch erglühende In- schrift schreitet wie ein Hymnus durch die Arkaden der Predella, es ist als ob Engelsgesang aus den goldenen Himmelspforten hemiedertöne, und nun steigt ein unbegreiflich holdes Blühen und Klingen und seliges Sehnen aus den Tiefen der frommen Inbrunst empor, Rose an Rose in jubilie- render Verschlingung bis in des Himmels höchste Höhen. Damit aber 74 75 ORGE'S: „TEPPICH DES LEBENS" ZWEITER TEIL 1899 der Rahmen sich nicht völlig in dem ornamentalen Überschwang ver- flüchtige, legt sich die starke Rosettenleiste über die drei Bildertafeln, sie fest aneinander schließend. Sehr kühn und absonderlich konstruiert ist dagegen der Rahmen zum „Jüngsten Gericht" des Fra Angelico. So be- wegt wie die Darstellung, ist auch die omamentale Umfassung. So stark wie die Säulen, die den Himmel tragen, sind die Seitenpfeiler, wie ein Rosendiadem spannt es sich über die Weltrichterglorie des Herrn und die Tiefen der Erde, aus deren geöffneten Grüften die Seligen und Ver- dammten emporgestiegen, sind offenbar symbolisiert durch die angehängte Konsoltafel; die dichtgedrängten Ranken und Rosen scheinen sich mit Un- gestüm empor ans Licht zu drängen, um vor dem Angesicht des Herrn zu erscheinen. Jenes Konsol hat noch den praktischen Zweck, dem Bild auf dem Kamin zum Stützpunkt zu dienen. Endlich hat Lechter in neuester Zeit für die jüngst erschienene Gravüre nach dem Hauptbilde des Pallenberg-Saales eine Reihe von Rahmen entworfen, die teils farbig, teils in Gold gehalten sind. Der reichste und prächtigste dieser Rahmen ist C/0 Kt UJ »4 GQ UJ Kl _J CO UJ Q O CT) CT) O- 00 n •^ — UJ - h- O cc UJ o 1— o o CO — ) tu CD rr. S O ZD UJ < CD Cd h- "Z < ^ u_ O UJ > h- CO Cd er. II 1 UJ Q ZD UJ U_ 1 UJ UJ CD Q UJ o UJ M CC UJ t!^ o UJ cc o x: o _l UJ CK) Kt Kl 76 M M M M N M N N MELCHIOR LECHTER: SCHLUSS BILD • ZU STEFAN . GE ORGE'S: DER TEPPICH DES LEBENS 1899 an sich schon ein monumentales Kunstwerk und kann gewiß als Muster dienen für höchstgesteigerte Inszenierung eines Bildes und gibt auch eine annähernde Vorstellung von der weihevollen Größe, die in dem Kölner Saal entfaltet ist. Da jenes Bild eigentlich eine gewaltige Wand zum Rahmen hat, so erforderte auch die Nachbildung eine Umrahmung größten Stils, so daß die Predella anmutet wie ein Paneel, die Eckpfeiler die Wöl- bung zu tragen scheinen, und der Flachbogen sich wi^ das Himmelsrund dazwischen spannt. 77 « « « DERPALLENBERG-SAAL » » « Im Pallenberg-Saal zu Köln überliefert sich der Nachwelt eine Großtat deutscher Kunst und deutschen Maecenatentums. Man muß sich vergegen- wärtigen, in wie empfindungsarmer, kleinlicher und herrischer Weise heut- zutage der Staat, zumal in Preußen, die Kunst zu fördern versucht, man muß mit Schrecken gewahren, ein wie engbrüstiger Dilettantensinn sich an dem lendenlahmen Mittelgut begeistert, die große Kunst aber, die aus großem Herzen und gewaltigem Können geboren, anfeindet und in pudelnärrischer Entrüstung bei Seite schiebt. Vestigia leonis terrent. |Vor der Pranke des löwenstarken Genies erzittert der kleine Geist des Alltagsmenschen. Angesichts des kunstfeindlichen Regiments der Zeit wird man daher die hochherzige Tat eines einfachen Privatmannes, wie es Jakob Pallenberg gewesen, doppelt hoch anschlagen dürfen. Hier waltete ein ideales Ver- ®.lfr^&&^®®V^$^&{&^'®@&3$&ä?^®9®@®llJ«^^^^^<^®^«^^^^ Egziüiu ui[j>iKin Siniüz< UJUJSK'EC a3:ujLn:c ^ . O uj -i i3jO • "j_JlUCD-l -JoiyzuJZCDQo2:i:z3 UJtijKi33<0CZ§UJO3< 78 S X t i DIEM UNSICHT- BARE 11 LOGE siaa rarSiSr-^ TRAUM ■^^MHH^H r sank in eine unabsehllcheaue nieder; die Ober schöne aneinandergestellte erden hinQberlief. Ein regenbogen von sonnen; die wie zu einer Perlen- schnur aneinander gereihet waren, fasste die erden ein und drehte sich um sie. Der Sonnenkreis sank unter- gehend dem horizonte zu und auf dem rande der grossen runden flur stand ein brillantengQrtel von tausend roten sonnen und der liebende himmel hatte tausend milde äugen aufgethan. - Haine und alleen von riesenblumen, die so hoch wie bäume waren, durchzogen im durchsichtigen Zickzack die aue; die hochstämmige rose bewarf diese mit einem gold- roten schatten, die hyazinthe mit einem blauen und die zusammenrinnenden schatten von allen bereiften sie mit silberfärbe. Ein magischer abendschimmer wallete wie ein freudiges erröten zwischen den schattenufern und durch die blumenstämme Ober die flur und Gustav fühlte : das sei der abend der ewigkeit und die wonne derewigkeit. - Beglückte seelen tauchten sich weit von ihm und näher den weggleitenden sonnen in die zusammengehenden abendstrahlen und ein eedSmpftes jauchzen stand ver- hallend wie eine abendglocke Ober dem himmlischen Arkadien; nur Gustav lag verlassen im silberschatten der blumen und sehnte sich unendlich, aber keine jauchzende seele kam herüber; Endlich dufteten in der luft zwei leiber in eine dünne abendwolke auseinander und das fallende gewölk entblösste zwei geister, Beata und Amandus - dieser wollte jene in Gustavs arme führen, aber er konnte nicht in den silberschatten hinein - Gustav wollte Ihr in die ihrieen entgegenfallen, aber er konnte nicht aus dem silberscnatten hinaus. - »Ach du bist nur noch nicht ge- storben/ rief Gustiivs seele, aber wenn die lezte sonne ^ ^ X S MELCHIOR LECHTER: TEXTSEITE AUS • JEAN PAUL • 1900 79 hältnis zwischen Maecen und Künstler, insofern nämlich dem Künstier durchaus freie Hand gelassen wurde und der Laie sich willig und bewun- dernd unterordnete. So kam es, daß der Künstler, von der Größe der Aufgabe begeistert, sein ganzes Können aus vollem, übervollem Herzen ausschöpfen durfte. Der Pallenberg-Saal hat sich daher zu einem der Haupt- denkmäler unserer Zeit gestaltet. Er stellt sich nicht nur dar als ein Monu- mentalwerk der Innendekoration, wie es geplant wurde, sondern auch als ein Dokument der deutschen Kunst und als ein Ereignis von bleibender Geltung. Der von Lechter geschaffene Saal befindet sich in dem neuen Kölner Kunstgewerbe-Museum, dessen Bau durch eine hochherzige Stiftung er- möglicht wurde. Jakob Pallenberg gedachte nun zuerst, eine aus den eignen Werkstätten hervorgegangene Innendekoration für den Saal zu stiften, also einen Ausbau in einem von den historischen Stilen. Dann aber erwärmte er sich für den Gedanken, den Entwurf von einem hervorragenden Künstler herstellen zu lassen, damit eben das Werk durchaus das originale Gepräge o oc 2^ z uj = o> OH? . S< mm^i mim. ^E u^^ 80 §fr 85 CO Z iu:docm _^^T^__ i^^^^^ 85 erhöhen durch den Kontrast die glutende Kraft der Farben der Glasmalerei. Wären die Pfeiler nicht, so würde das Auge gewissermaßen keinen Halt haben in dieser überseligen FüUe durchleuchteter Schönheit. Auf dem Gartenplan mit den goldbräunlich glänzenden Blumen sehen wir den Föns Artis eingehegt, und in den Wasserspiegel schauen die Schönheit und die Wahrheit. Jene trägt einen blauen Kranz in dem rotbraunen Haar, das funkelnd an dem lichten Leib hemiederwallt, und die Hüften umkleidet ein lila Gewand. Die Wahrheit mit dem erhobenen rotum- randeten Spiegel trägt ein sanft getöntes, hellviolettes Kleid und ein dunkel- braunes Sammetmieder, worüber sich die purpurne Pracht des schweren und golddurchwirkten Mantels breitet, und das goldblonde Haar wird von einem roten Band gehalten. Über die Gestalten wölbt sich in unge- heurer Glorie der Blütenbaum der Menschheit. Auf dem blauschimmem- den, vieltausendjährigen Geäst schwingt sich in gewaltigem Halbkreis die Rotglut der dichtgedrängten Blumen, die in allen Tönungen des Rot sich aneinander reihen. Durch die Lücken des Geästes und über dem Baum erglänzt der Himmel in verklärter Goldfarbe und erzeugt den goldenen Dämmerschein, der den ganzen Saal gar feierlich durchflutet Violette Kastanienkronen grenzen an den roten Baum, vor ihnen stehen die ragen- den hellvioletten Träger des heilig aufwirbelnden Weihrauchduftes. Blau- grüne Pfeiler endlich säumen das Fenster ein, blaugrüne Streifen die Fenster- bögen, und in der Höhe der Konsole und Kapitale verläuft die schnur- gerade Reihe der hellvioletten Rosen. Die anschreitenden Gruppen in den Seitenfenstern veranschaulichen wohl den feierlichen Pilgerzug der Mensch- heit zum heiligen Born der Kunst, der von der Wahrheit und Schönheit gehütet wird. Am Wege sprießen goldbraune Wunderblumen, erwachsen graugrün schillernde Stämme, in deren Kronen das Laubwerk feuerrot erglüht. Hier trägt der in Stahl gerüstete Ritter, geschmückt mit dem violetten Rosenkranz im Haar, die Standarte mit rotem Schaft, und auf dem blauen Tuch lesen wir in Goldschrift: „HEILIGE SCHÖNHEIT, DU RÄTSELTRUNKENER ABGRUND VON LUST UND SCHMERZ." Drei Frauengestalten schreiten im Gefolge des Ritters. Zwei tragen eine Krone, die dritte einen Rosenkranz im Blondhaar, und die mittlere schwingt das Weihrauchgefäß. Des Ritters Rüstung ist mit Gold tauschiert, und dar- unter trägt er ein purpurnes Gewand. Die bekränzte Frau ist mit einem Goldmantel angetan, und darauf stehen prachtvoll die blauvioletten Edel- steinbordüren. Im anderen Seitenfenster schreiten drei Frauen einher, die vorderste hält die Standarte mit der Inschrift: „HEILIGE KUNST, DU LEUCHTEND MYSTISCHER GESANG AUF DES LEBENS DUNKLEN WASSERN." Sie trägt ein violettes Gewand und auf den goldblonden Locken einen violetten Rosenkranz. Die beiden anderen Frauen sind ge- krönt, die eine im lichten Kleid hebt in der Hand eine von den Wunder- blumen, welche den Weg zum heiligen Brunnen anzeigen, und die dritte, im feierlichen Brokatmantel, neigt sich zu den Blumen nieder. So einigt sich in den drei Fenstern mit dem gewaltigen Grundakkord ein Flor von zartverästelten Farben und aus dem Ganzen klingt der Hochgesang auf die Herrlichkeit der heiligen Kunst. „BERUFEN: DURCH DES MYSTISCHEN QUELLES TRANK: EM- PFANGE DEN HEILIGEN RAUSCH: AUS DEM GEBOREN GE- WEIHTE WERKE." So deutet die Inschrift das Hauptbüd des Fallen- 86 berg- Saales aus. Dieses Gemälde ist der Inbegriff mystischer Kunst und die Kulmination der Entwicklung, welche Lechter mit dem Orpheusbilde einleitete. Es mag sein, daß der Künstier später noch über den Höhen- punkt hinausschreitet, was die Größe der Auffassung und die malerische Vollendung seiner Kunst anlangt, immer aber wird doch die Weihe am mystischen Quell gleich sein dem Brief mit den sieben Siegeln, enthaltend und offenbarend das Geheimnis und die Deutung des tiefsten Wesens und des höchsten Zieles aller Kunst. Die Weihe vollzieht sich in der feier- lichen Stunde, in welcher Tag und Nacht sich mit einander vermählen, in welcher des Tages Getöne sich sanft verebbt und aus dem großen Schwei- gen des Alls die Wunderstimmen der Schöpfung ihren Sang erheben, in welcher des Menschen Seele die goldenen Schwingen breitet, um fem von aller Unrast alle Wonnen reinsten Seins zu trinken. Wenn die Berge und Wälder gegen den Abendhimmel in tiefes Traumdunkel versinken, wenn alle kleine Form verlöscht und erstirbt und nur noch die große Linie und Masse anbetend der Glorie des Lichts zu Füßen ruht, dann fangt der Brunnen im mystischen Tempel zu steigen und zu klingen an, und dieser Stimme geht der berufene Sänger nach, um aus der Hand der gekrönten und geweihten Priesterin des heiligen Grales Wundertrank zu empfangen. Rot strahlt der Himmel über dem blau verdunkelnden Berg, und rot- erglühender Wiederschein deckt den stillen See im Tal, der umgrenzt ist von dem Zug der jungen, schlanken Pappeln. Im Hain entzünden sich die Kerzen auf den Goldkandelabern, inbrünstiger duften die roten und violetten Hyazinthen und im blassen Violett verhauchenden Rosen auf den tiefdunklen Büschen, und zwischen den grünen Stämmen der rotbelaubten Kastanien lugt die schwermütig -sehnsüchtig blaue Finsternis hervor. So hat der Künstier auch dieses Bild auf einen gewaltigen Akkord gestimmt, um den Goldtempel zu tragen und heben in die höchste Sphäre der Ver- klärung. Von dem Tempel geht ein Goldschein aus, als ob er aus eigener Kraft wie eine Sonne erstrahle. Im Innetn ist er mit dem tiefinystischen Blau ausgekleidet, und auf dem Boden schimmern in den blauen Fliesen die Goldbilder des Tierkreises. Zwischen den beiden Rosenbäumen mit den glühend roten Blüten entspringt der mystische Quell aus dem Marmor- brunnen. Bedeutungsvolle Sinnbilder zieren den Fuß der Tempelpfeiler. Auf blauem Email sehen wir da in Gold ein Weihrauchgefäß, zwei in- einander geringelte Schlangen unter der Krone, eine Leier, Licht und Stern, einen Kandelaber und den von Sternen umkreisten Turm. Und weiter kleidet sich der Tempel in eine ornamentale Goldpracht, in leibhaftigem Metallgold ausgeführt und mit Rubinen in den Rosetten. Wie der Tempel in Gold, ist auch des Tempels Herrin, die Priesterin, in das reichste Goldomat gekleidet, die Krone auf dem Haupt und vom Aureolenring verklärt. Wie die Priesterin der Menschheit höchste Würde bekleidet, wird eben in dem feierlich strahlenden Mantel versinnbildlicht. Der vor ihr kniende Sänger, mit dem goldenen Reif auf der bleichen Stirn und mit geschlossenen Augen im rein vergeistigten und nach innen ge- kehrtem Angesicht, ist in schwarzerloschenen Purpur gehüllt, und so stehen in den Gestalten der Priesterin und des Sängers der höchste und der tiefste Ton der Malerei bedeutungsvoll vereint. Die übrigen Gestalten aber sind wie die Modulationen des Gesanges. Die knienden, weihrauch- 87 spendenden Tempeldienerinnen tragen über dem weißen Untergewand mit - "^ r^ IL» nr -. LI o> icooo Öaz^^J-5^i^ Ol — UJ üJ -J 5 DC iE O IlJ S - I I I J I I — I ""eis fi ä^ißi*^ gc: äM! b2> uUT ÖS £*: I Ss J ^1 I- J I IM I I i* -««.-. * u* J rt ^ 88 3I|— 0Q>cO • Oh— l_l_JO^ S -J h- i^ ^ h- i?^ hellgrünem Schatten ein grünes Obergewand mit blauen Blumenranken. Der stehende Engel mit dem hochgespreizten und grünen, goldumrandeten Flügel ist in ein blaßgrünes Untergewand und in ein goldschimmerndes Obergewand mit grünen Ranken gekleidet. Der tiefblonde Genius an der Orgel endlich schließt die Skala mit einem bräunlichen Brokatton. Die Genien endlich, welche im ätherischen Fluge dem Sänger gefolgt sind, symbolisieren die hellen, . lichten Obertöne des sanctus sonus und des sanctus odor, die ja auch den Goldtempel umwehen und umklingen. Diese Gestalten sind so licht und leichtschwebend, daß sie aller irdischen Schwere entkleidet scheinen, gleich Visionen von Duft und Ton, und hier sind auch die Farben von zarter Grazie und überirdischer Seligkeit. Um diese einzig- MN^P- m/mi^mm HILDÜBRflNDTUND INJ SCHLESIEN! ts iLDeNiQnD gsracKi feCHLE 89 artige Farbenskala zu verdeutlichen, stelle man sich vor, daß der erste, der rotblonde Genius in weißgrünliches Untergewand und in ein flieder* farbenes Obergewand mit Goldbordüren, und der zweite, der fahlblonde, in ein zartgelbes Gewand mit sanften Goldmustem gehüllt ist. Nun folgen die kerzentragenden Genien des Duftes, der eine mit dem schwärzlichen Haar trägt weiße Gewandung mit bläulichem Schatten und der letzte im langhinwallenden, roten Haar, das von dem Abendschein herrlich durch- glüht ist, ein grünliches Kleid mit graugoldigen Rosetten. Und so webt und schwebt und so glüht und funkelt und so tönt und duftet hochherr- lich und heilig die Glorie der ideal vergeistigten Farben um dieses höchste Sinnbild der aus großem Geist geborenen Kunst. MELCHIOR LECHTER: UMSCHLAG ZEICHNUNG FUER • EINEN WAESCHE KATALOG 1897 III. SONDERAUSGABE XII S S a S S S S AUSBLICK s s S S S s s Unsere Betrachtungen neigen sich ihrem Ende zu. Der Pallenberg- Saal ist, von der Ausführung des lange geplanten Glasgemäldes „Ritter Keuschheit" und von den toskanischen Pastellen abgesehen, das letzt- vollendete Werk Melchior Lechters. Es bezeichnet einen Höhepunkt im Schaffen des Meisters, eine Kulmination, zu welcher all die Feuerströme seines Sehnens und Strebens seit Jahrzehnten emporloderten. Aber noch hat Lechter längst nicht das letzte Wort gesprochen. Kaum auf die herr- liche Höhe gelangt, geschah es, daß seinem schaffensfreudigen Geiste neue Kräfte zuströmten, um ihn auf tausend goldenen Schwingen in neue Höhen zu heben. Gerade das Gemälde von der Weihe am mystischen Quell, das Hauptstück im Pallenberg-Saal, erwies sich an dem Künstler als eine Weihe zu ferneren und größeren Zielen und entriegelte die Pforten zu neuen Wunderreichen. Der großartige Entwicklungszug in Lechters Wirken ist bereits wiederum auf Jahre hinaus festgelegt und zwar in Gestalt eines Bilderkreises, der seinen Ursprung nahm von jenem Kölner Hauptwerk, und der ohne Zweifel die Horizonte der von Lechter geübten Idealmalerei und mystischen Kunst erheblich erweitern wird. Es handelt sich um sieben neue Bilder, welche innerlich miteinander zusammenhängen, welche so etwas wie einen Monumentalakkord der höchstgesteigerten feierlichen Schönheit darstellen. Vorläufig liegen erst die Entwürfe zu den Gemälden vor, aber diese Entwürfe sind so in sich vollendet und abgeschlossen, malerisch so reif und reich bis ins Einzelne in die Erscheinung getreten, daß die Ausführung ihre Schönheit wohl steigern, aber das innerste Wesen dieser Traumwunderbilder kaum ummodeln dürfte. Wir haben gesehen, wie Lechter zu seinen Werken unmittelbare Anregung aus Traumstimmungen empfangt, wie er nicht sucht und grübelt und klügelt, wie ihm vielmehr scheinbar ohne sein Zutun aus einer Fülle von Gesichten die Inspiration zu scharf geprägten Gestaltungen beseligend heimsucht. Sein ganzes Wesen sein Dichten und Trachten bei Tag und Nacht geht eben so völlig und ausschließlich in seinem Werke auf, sein Inneres ist so rein gestimmt und gesättigt mit sensitiver Empfänglichkeit, daß seiner Seele die Kunstwerke entströmen wie der Rose der Duft. Die alten Hellenen hatten für den schöpferischen Impuls des Genies ein wundervolles Symbol gestaltet in der Pallas Athene, welche in voller Wehr und Waffen wie ein Blitz aus dem Haupte des Zeus hervorsprang. Das aber dürfte das impulsive Ent- stehen von Lechters neuestem Bilderkreis verdeutlichen. Der erste der Entwürfe datiert vom Weihnachtsheiligabend des Jahres 1900. Lechter nennt ihn „PARADIS ARTIFICIEL" nach Baudelaire. Das Bild vergegenständlicht den Rausch des feinsten Sinnenlebens, der aus Duft und Klang sich zu reingeistigen, zartseelischen Paradiesesfreuden entzückt und verklärt. In wenigen Stunden war das im Traum erschaute Wunder- bild bis in die Einzelheiten ausgeführt. Bereits am Tage darauf, also Weihnachten 1900, folgte der Garten der Engel und die sieben Quelle, ein Monumentalwerk von feierlichster Schönheit, welche an sich so wunder- sam ergreifend und wie von einem Wunder eingegeben zu sein scheint, daß wohl alles Grübeln und Klügeln niemals auf eine so klar erschaute Herrlichkeit verfallen wäre. Am Sonntag, den 14. Januar 1901, entstand die Komposition des toten Sängers. Gewiß hat die Weihe eines Festtags- 90 MELCHIOR LECHTER: KARTON EUER • EINE FEN- STERROSE IM ROMANISCHEN HAUSE ZU BERLIN 91 morgens seit jeher die Schaffenskraft Lechters begeistert und beflügelt, aber wohl noch nie in so tiefgreifender Art wie bei der Reihe der sieben Traumgesichte, wie ich sie wohl nennen möchte. An jenem Sonntag Abend hatte Lechter einen erhabenen musikalischen Genuß in Aussicht, das Christus-Oratorium von Liszt. Und da überkam ihn die Vorstimmung so gewaltig, daß er den toten Sänger malte, eine Apotheose von Liszt'scher Feierlichkeit. Eine Hochgebirgsstimmung sodann trat am 28. Februar 1901 ins Dasein, und die weiteren Bilder, welche eine Emanation der „sieben Nächte am mystischen Quell" zu sein scheinen, wurde im März 1901 ge- malt, in glutenden, höchstgesteigerten Traumfarben, in einem gewaltigen Kolorit, welches mit der Farbenglut der Glasgemälde wetteifert. Nunmehr werden Jahre vergehen, bis die sieben Bilder vollendet an die Öffentlich- keit treten. Heute aber mögen die Wunder aus dem Traumlande selber reden, sozusagen als Finale des Lechterwerkes! MELCHIOR LECHTER : ZEICHNUNG FUER • EINE „P ARADIS ARTIFICIEL": Vor dem Königspalast, der in das Traumland verzaubert, breitet sich die gleißende Plattform aus Marmormosaik. Hier liegt gestreckt auf dem Ruhebett die purpurbekleidete Herrin, sich berau- schend am Duft der blutroten Rose. Zu ihren Füßen ein goldenes Becken, in welchem Harz und Sandel qualmen. Weiter abseits zwei jugendschlanke Dienerinnen, die Harfe rührend und die Flöte blasend. Und wie sich nun Duft und Ton in Eins verweben, heben sich vor dem verzückten Blick die Nebelhüllen, und des Paradieses Wunderauen leuchten aus seligen Nähen und Fernen herüber. Tief unten im Tal ein tiefblauer Weiher, ein Spiegel süßer Sehnsucht, im Schatten der Berge begraben. An des Wassers Rand erwuchs die Reihe nie erschauter Wunderbäume, schlank und schmal wie die Fingerhutstaude, aber wie sieben Türme hoch in den Himmel ragend« Kelch an Kelch, so groß wie ein Königsmantel, um- blühen den Stamm der Blumenbäume, und rührt sie der Wind, so ent- klingt den Blumenglocken ein Duftgeläute. Dunkelbegrünter Hügel steigt gegen das ■ ■ wie das Licht em- K7^vT?X^^'■ i— i iir f BiLIRfCK7rS3 AugeGot- por,dahin- BpM|lMHl^kCNI\LKIBI tes, über- Seh '^"S i^mi m:Ymm[mmimm '"SLX blauen I Mll I MÖKBiFflBRIK^INNEfffitCORHTPN von weis- Ferne die Wi^^M 0^11 I ll «UiiLi^ kendurch- GESCHAEFTS- Gefilde der |1^^]|| 1» willl'^KHElN jauchzt, KARTE 1900 Seügen, mWm^M PRRIS-I900-BUSaER-WEnBEWEKS t^ ^^"^ tTr^"!,«!; iKil MlT5tIED-DES-FREISISERlCH3S u!!*"^"^- glänzt und H5®8SS®äsH vis^s^sbis^ bhh y % j ^ uj^^ al wi^ lichtblau ' keiten. „DER GARTEN DER ENGEL UND DIE SIEBEN QUELLE": Des Pesttagsmorgens Pracht thront über den Wäldern. Aus Adlershöhe schauen wir in die Tiefe, wo tausendjährige Baumriesen ihre Kronen heben. Violett erglühend steigt und steigt aus dem erwachenden Riesenwald glatt und steil ein Fels empor, unsagbar hoch. Purpurwölkchen kräuseln sich um seine halbe Höhe. Aus des Felsens Nabel brechen die sieben Quelle hervor, und schnurgerade stürzen die donnernden Wasser in des Waldes raunende Schatten hinab. Und weiter und weiter steigt der senkrechte Fels bis zur Kammhöhe des Hochgebirges, das fern zurückweichend, noch von dem blauen Mantel der Nacht umfangen, in msgestätischer Schroff- heit den geheiligten Ort der sieben Quelle abschließt. Schon küßt der Sonne Goldschein die Gipfelzack^n des Gebirges, und ein Glutschrei springt aus den weißen Firnen auf. Und wie der Chor in der neunten Symphonie jubelt in des Himmels höchsten Höhen ein unendliches Rosen- wolkengewimmel empor. Das ist die Stunde der Engel. Blauduftig schattig schlingt sich ihr fröhlichster Kinderreigen auf der glatten Kuppe des Felsens rings um den Stamm eines Baumes, der aus dem feuer- lodernden Dornbusch des Herrn erwachsen scheint. Er ist uralt wie die Bergwelt in der Runde, sein Blühen ist ein glühend Leuchten und Brennen, sein feuerfarbenes Riesengezweig überschattet den Garten der 92 Engel und über- ragt weitausla- dend wie ein Fittich den jä- hen Abgrund des Felsens der sieben Quelle. „DER TO- TE SÄNGER": Vor dem heili- gen Lorbeer- hain, deß Ge- zweig auf nie- drigen tausend- jährigen Stäm- men so eng verwachsen, daß es wie ein schwarz- grüner, grad- linig abge- schnittener Rie- senwürfel er- scheint, ruht der tote Sänger auf dem Mar- morsarkophag. Ein blauer, goldgemuster- ter Mantel ist über den ver- klärten Leib gebreitet und die rote Leier liegt ihm im Arm, Zu Raup- ten und zu Füßen stehen zwei Engel in goldigen Ge- wändern, mit tiefblauen Flü- geln angetan, aufgrünen Har- fen begleiten sie den Totenge- sang. Ein lich- ter Engelreigen schwebt rings um den starr- 93 feierlichen Lorbeerhain und so oft ein Engel über den toten Sänger einher- schwebt, wirft er eine Rose hernieder. Blauglühendes Dunkel lagert auf der Erde, der Himmel aber weint und klagt in unendlicher Rotglut rings um die düstere Lorbeerwand. „SANCTUS! SANCTUS! SANCTUS!": Der Dämmerung Schleier fallen aus der Höhe und decken die roten Blumengehege des Tals und die gegen das Gebirg ansteigenden Wälder. Knieende Inbrunst betet zum Herrn der Welten, dessen Atem durch den gelbglühenden Himmel weht. In Schweigen erstarrt, stockt der Herzschlag des Alls. Mit den tieften Tiefen des Violett umkleidet sich das Hochgebirge. Aus den tausend Gipfeln ragt einer in Riesengröße empor und diesen Gipfel aller Gipfel umfängt eine violette Wolke. Da läutet das silberne Glöcklein und hervor aus dem Marmortempel treten zwei Engel. Auf den grün umhauchten Mar- morpostamenten einander gegenüberstehend, schwingen sie die Weihrauch- gefaße und Sanctus! Sanctus! Sanctus! tönt es aus dem Tal des Schweigens empor zu dem Gipfel aller Gipfel, der von der violetten Wolke hochheilig umschattet ist. Die Engel tragen langwallende blaugoldene Mäntel, ihre Flügel strecken sich über ihre Häupter und Stirnen hinweg und berühren einander mit den Spitzen und so umrahmen sie das Tal und die Wälder und das Gebirg und den Gipfel, welcher von der Wolke des Herrn heilig, heilig, heilig umfangen ist. „DIE ROSEN-WUNDER-HYMNE": Ein glatter Marmorsockel ragt aus der Meerflut. Darauf sitzt ein Weib am Flügel und spielt. Bräun- lich goldig schimmert der Flügel und blaugoldig ist der gehobene Deckel ausgeschlagen. Braungoldener Schimmer spielt um des Weibes Haar, MELCHIOR LECHTER: ZEICHNUNG EUER • EIN KLEINES 6LASGE MAELDE 1895 ihren nackten Leib küßt die Abendröte und braun- goldiger Brokat deckt ihre Hüften und Knie. Von den Klängen bezaubert, erglüht das Meer im Rosen- wunder. Die blaugrünlichen Wogen werfen hochauf- strebend Rosen, Rosen, rote Rosen empor und Rosen, soweit das Auge reicht, schimmern hold und selig aus der abendlichen Flut, Diese Blumenkinder sind so zart, so fließend licht und leicht, wie sie aufblühen und aufglühen, so verrinnen sie in dem rosenrotem Gischt der wunderseligen Abendstunde. Und über den weiten Himmel erblühen die Rosengärten der heiligen Höhen, in rosaroten Duftseufzern klingt die Wunderhymne der fernher winkenden blauen Nacht entgegen. „ . . . UND ÜBER DEN TIEFEN DER GEHEIM- NIS BERGENDEN KRONE GESTALT . . . ": Die Abendsonne glänzt sinkend über den runden Talkessel hinweg. Tief unten schon blaue Schatten, in der Höhe noch das feurige Abendgold. Da ist es, als ob eine Krone vom Himmel herabschwebe. Auf dem runden Rand des Tales gleißt es wie eine Goldmauer, wie eine goldene Mauerkrone mit Rundbogenblenden und Zinnen. Er- staunt blicken die schneeigen, violettrunkenen Berg- gipfel hernieder aus der blaurot flimmernden Himmels- glut. Ja, eine Goldmauer ist es wahrhaftig. Sie um- hegt ein Geheimnis. In des Rundtales Sohle schimmert ein runder Born, Blumentöpfchen mit roten Hyazinthen säumen ihn zierlich ein. Auf einmal hebt sich ein Thron aus des Brunnens Tiefe und darauf sitzt ein nacktes Weib, eine schwere Goldkrone auf dem Haupt, und mit den Händen in feierlicher Geste die Augen schattend. Ein blaugoldener Streif legt sich wie eine Stola um den Hals und fällt schmal durch des Busens Mitte bis hinab zu den Füßen und das Goldhaar breitet sich zu den bei- den Seiten über des Thrones Lehnen. Ist es ein Genius? Rote, goldgetupfte Flügel wachsen steil über die Schultern empor und falten sich, daß die Spitzen einander kreuzen. In diesem Augenblick flammt hinter dem Thron eine ge- waltige rotumränderte Goldsonnenglorie auf, die hiera- : mt; '^:m^ tische Erscheinung völlig umfangend. Zum Baldachin endlich wölbt sich rings um den Born eine Reihe schlankerjBäumchen mit zartgoldenen, im Abendschein selig leuchtenden Laubkronen. „TRAUMLOS IM TRAUM, UMDUFTET VOM HAUCHE DER EWIGKEIT. TRAUM DER EWIG- KEIT: KERN DER WESEN. KEIM DER WELTEN!": Auf dem hochgetürmten Grabhügel der Menschheit wächst ein uralter Baum mit rotem Geäst. Seine Laub- krone ist wie ein Riesenkranz, nicht breiter als ein Regenbogen; sie schwingt sich in starrem Halbkreis, dessen Enden den Erdboden berühren zu Füßen des Grabhügels. In dem Stamm des seltsamen Baumes sind Izwölf Thronnischen zu schauen und darin sitzen zwölf JEngel. Sie tragen rote Gewänder, rote Flügel und 'halten rote Kugeln im Schoß. Die Nacht sinkt tief her- ein. Schwarzgrün schon dunkelt die Erde, es verlöschen die roten Blumen im Rasen, die roten Blüten in dem runden Baum und schwarzgrün starrt der Hügel gegen das ehernstarrende Metallgold des schweigenden Him- mels mit den starrschweigenden Goldsternen. Ein furcht- bar feierlicher Ernst wuchtet auf der Abendstunde. Zu Seiten des Hügels schatten mächtige Kastanienkronen mit rot ersterbenden Blütenkerzen. Das aber ist die Stunde, wo von Nord und von Süd, von Ost und von West die lichten Scharen kommen, mit Büchern und Kerzen in den Händen und mit hoch in den Gold- himmel ragenden Fahnen. Das sind die Träume der Menschheit, die zu Gott pilgern, zum Ursprung und zum Ende aller Dinge. B B MAXIMILIAN RAPSILBER. .1*^®^^ DIE GESAMTE AUSSTATTUNG IST VON MELCHIOR LECHTER • UNTER DESSEN LEITUNG DIESES WERK IN DEN MONA TEN NOVEMBER-DEZEMBER J903 UND JANUAR J904 BEI JULIUS SITTENFELD IN BERLIN GEDRUCKT WURDE • DIE AU TOTYPIEEN UND STRICHAETZUNGEN LIEFERTE CARL SCHUETTE IN BERLIN DIE VIERFARBIGEN DRUCKE DR • E ALBERT UCOIN BERLIN UND MUEN CHEN • NEBEN DER ALLGEMEINEN AUS GABE WURDEN HUNDERT MIT DER LAU FENDEN ZAHL VERSEHENE LIEBHA BER-DRUCKE HERGESTELLT DAVON SIND DIE NUMMERN EINS BIS ZWANZIG IN ALTPERGAMENT GEBUNDEN UND MIT GOLDPRAEGUNG GESCHMUECKT XFA U03I.IIF NOT TO LEAVE LIBRARY ^flO »M U ft A -